Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Franziska Mann, Schriftstellerin

geb. 9.6.1859 (Kolberg, heute Kołobrzeg, Polen) gest. 8.12.1927 (Berlin)

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Franziska Mann, um 1906. Foto: Margarete Schurgast.
Franziska Mann geb. Hirschfeld war die zweitälteste Schwester Magnus Hirschfelds. Sie wurde am 9. Juni 1859 als Tochter des jüdischen Arztes Hermann Hirschfeld und dessen Frau Friederike, geb. Mann, in Kolberg (heute Kołobrzeg) geboren. 1877 heiratete sie ihren Onkel mütterlicherseits, den dreizehn Jahre älteren Kaufmann Moritz Mann (1846–1922). Das Ehepaar wohnte vorübergehend in Stettin (Szczecin), wo die ersten beiden Söhne James (1879–1930) und Walter (1880–1942) zur Welt kamen. Der dritte Sohn Franz (1884–1929) wurde in Berlin geboren. Die Beziehung zwischen Franziska und Moritz scheint schwierig gewesen zu sein. So heißt es wiederholt, ihre Eheverhältnisse seien nicht glücklich gewesen. Magnus Hirschfeld hielt in der Trauerrede auf seine Schwester fest, ihr Leben sei „mühevoll, oft mehr leidvoll als freudvoll“ gewesen.

Unklar ist vor diesem Hintergrund, wie eng sich das Zusammenleben zwischen Franziska und Moritz Mann gestaltete und wie weit Franziska Mann etwa in die geschäftlichen Aktivitäten ihres Mannes einbezogen war. Moritz Mann betrieb ab 1888 das Passage-Hotel in der Berliner Behrenstraße 52. In diesem Hotel bewohnte Franziska Mann in einer der unteren Etagen ein kleines „Stübchen“. Hier führte sie „ihr eigenes nachdenkliches Leben“. Gleichwohl habe sie aber immer Zeit gefunden, „sich ein wenig um den Hotelbetrieb zu kümmern. Jeder Gast, den sie kannte, konnte ihrer Aufmerksamkeit sicher sein.“

Die Beziehung Franziska Manns zu ihrem Bruder Magnus Hirschfeld war recht eng. Möglicherweise war Hirschfeld sogar der maßgebliche Inspirator für Manns Wirken als Schriftstellerin. So heißt es, „rege und kluge Teilnahme an den Studien und Forschungen des Bruders mögen ihr den Blick auf das unendliche Leid in der Welt geöffnet, mögen ihr die Feder in die Hand gedrängt haben.“ Als Franziska Manns Debüt gilt die Erzählung Könige ohne Land (1903). In ihr schildert die Autorin den Lebensweg einer Frau, die sich ganz auf sich gestellt durchs Leben schlagen muss. Dies war auch ein wiederkehrendes Motiv in mehreren ihrer folgenden Werke.

Franziska Mann und Magnus Hirschfeld hegten ähnliche emanzipatorische und humanitäre Interessen – sie als Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, er als Arzt und Sexualreformer. Hinzu kommt, dass sich Franziska Mann während des Ersten Weltkrieges und in den Jahren danach wohltätig in der Fürsorge für alleinstehende und verarmte Frauen betätigte. So richtete sie von 1921 bis zu ihrem Tod 1927 zusammen mit der Dichterin Lucy Abels-Avellis (1874–1938) im 1905 gegründeten renommierten Lyceum Club Unterhaltungsabende für Frauen des Mittelstandes aus. Aber schon um 1904 gehörte sie wie ihr Bruder Magnus Hirschfeld und andere in dessen Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK) dem Beirat des Charlottenburger „Verbandes zum Schutze für Nichtraucher” an. Dessen Erster Vorsitzender war der ehemalige Distriktsarzt Karl von Oppell (1839–?), der zuvor in Südafrika tätig gewesen war.

Franziska Mann engagierte sich auch für das Frauenwahlrecht. Kurz bevor das gleiche Wahlrecht für alle volljährigen Männer und Frauen in Deutschland 1919 erstmals verwirklicht wurde, versuchten Franziska Mann und Magnus Hirschfeld in einer Flugschrift Was jede Frau vom Wahlrecht wissen muß! (1918) die zukünftigen Erstwählerinnen auf ihr neu gewonnenes Recht vorzubereiten. Franziska Mann und Magnus Hirschfeld widmeten die Publikation der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die sie als „Patriarchin und Pionierin des deutschen Frauenstimmrechts” bezeichneten.

Als eins ihrer persönlichsten Werke betrachtete Franziska Mann offensichtlich ihr Buch Vom Mädchen mit dem singenden Herzen (1904). In Anspielung auf diesen Titel ist Franziska Mann in mehreren Nachrufen als „die Frau mit dem singenden Herzen“ bezeichnet worden. Anna Plothow (1853–1924), die Redakteurin der „Frauenrundschau“ des Berliner Tageblatts, schrieb, Franziska Mann sei einst unter vielen Menschen, die sie kennengelernt habe und die sich als „eigen“ zu geben trachteten, wirklich eine „Eigene“ gewesen: „Ein einsamer Mensch. Einsam im lauten Treiben der Welt, einsam in der Gemeinschaft der Genossen.“

Zu ihren engsten Freundinnen zählte Franziska Mann die jüdische Berliner Pazifistin, Fotografin und Pensionsinhaberin Margarete Schurgast. Eine andere Frau, die Franziska Mann Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts sehr nahe stand, war die österreichische Schriftstellerin Amalie Falke von Lilienstein (1871–1956). Franziska Mann stand auch in brieflichem Austausch mit der schwedischen Sozialreformerin Ellen Key und den Schriftstellerinnen Minna Cauer, Elisabeth Dauthendey, Hedwig Dohm, Gabriele Reuter (1859–1941) und anderen. Belegt ist ferner, dass sie am 2. Februar 1924 neben Gertrud Eysoldt und Käthe Kollwitz an einer Feierlichkeit im Institut für Sexualwissenschaft teilnahm.

Franziska Mann starb am 8. Dezember 1927 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

Nachlass

Der Nachlass Franziska Manns ist verschollen. Doch sammelt die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft ihre Briefe, soweit diese erhalten sind. Kleinere Konvolute mit Briefwechseln zwischen Franziska Mann und ihr befreundeten Schriftstellerinnen wie Anna Kappstein (1872–1950), Anna Plothow und anderen können in unserem Archiv eingesehen werden.

Schriften (Auswahl)

Mann, Franziska (1903): Könige ohne Land. Erzählung. Leipzig: Verlag der Frauen-Rundschau.

Mann, Franziska (1904): Vom Mädchen mit dem singenden Herzen. Berlin, Leipzig: Verlag von Hermann Seemann Nachfolger.

Mann, Franziska (1909): Von Kindern. Berlin-Charlottenburg: Axel Juncker Verlag.

Mann, Franziska (1912): Frau Sophie und ihre Kinder. Frankfurt a. M.: Rütten & Loening.

Hirschfeld, Magnus und Mann, Franziska (1918): Was jede Frau vom Wahlrecht wissen muß! Berlin: Alfred Pulvermacher (online hier zugänglich).

Mann, Franziska [1919]: Der Schäfer. Eine Geschichte aus der Stille (Juncker-Bücher, 3). Berlin: Axel Juncker Verlag.

Mann, Franziska (1921): Den Erwachenden. Aus dunkler Gegenwart in hellere Zukunft. Berlin: Edition Jacobi Verlags-AG.

Mann, Franziska (1921): Flug ins Kinderland. Ein Buch für Große. Berlin: Edition Jacobi Verlags-AG.

Mann, Franziska (1922): Die Stufe. Fragment einer Liebe. Berlin: Mosaik Verlag.

Mann, Franziska (o.J.): Alte Mädchen. Erzählungen. Leipzig: Verlag der Frauen-Rundschau.

Weiterführende Literatur

Anonym (1924): Eine neue wissenschaftliche Stiftung in Berlin [Kurzmeldung unter „Kunst / Wissen / Leben“], in: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung, 6.2.1924 (Jg. 82, Nr. 31), S. 2.

Dose, Ralf (2004): Die Familie Hirschfeld aus Kolberg. In: Elke-Vera Kotowski und Julius H. Schoeps (Hrsg.): Magnus Hirschfeld. Ein Leben im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft (Sifria. Wissenschaftliche Bibliothek, 8). Berlin: be.bra wissenschaft, S. 33-64.

Jank, Dagmar (2020): Die Journalistin und Frauenrechtlerin Anna Plothow (1853–1924). Eine biographische Annäherung, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart 2020, S. 7-25, hier S. 23-24.

Key, Ellen (1919): Als ich das erste Mal Franziska Mann traf, in: Franziska Mann. Der Dichterin – Dem Menschen! Zum 9. Juni 1919. Jena: Landhausverlag, S. 3-4.

Wolfert, Raimund (2017): Annäherungen an Franziska Mann – Schriftstellerin und Briefpartnerin Ellen Keys. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Heft 58/59, S. 45-64.