Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Gertrud Eysoldt, Schauspielerin

geb. 30.11.1870 (Pirna, Sachsen) gest. 5.1.1955 (Ohlstadt, Bayern)

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Gertrud Eysoldt. Rollenbild.
Gertrud Eysoldt wurde am 30. November 1870 als Tochter des Reichstagsabgeordneten Arthur Eysoldt (1832–1907) und dessen Ehefrau Bertha geb. Richter (1845–1934) im sächsischen Pirna geboren. Sie hatte eine ältere Schwester, die später als eine der ersten Frauen an der Universität im schweizerischen Zürich Medizin studierte und sich maßgeblich in der Frauenbewegung ihrer Zeit engagierte.

Nach dem Studium an der Königlichen bayerischen Musikschule in München spielte Gertrud Eysoldt zunächst am Münchner Hoftheater und dann in Meiningen, bevor sie 1891 am deutschsprachigen Stadttheater in Riga eine Anstellung fand. Der Direktor des Theaters, Max Martersteig (1853–1926), wurde drei Jahre später auch ihr Ehemann. Aus der Ehe ging ein Kind hervor, doch ließen sich Eysoldt und Martersteig schon wenig später wieder scheiden. 1893 wechselte Gertrud Eysoldt von Riga nach Stuttgart, von wo sie 1899 nach Berlin ging. Hier spielte sie an verschiedenen Theatern, unter anderem am Neuen Theater und am Deutschen Theater unter der Direktion von Max Reinhardt (1873–1943). 1910 wurde Gertrud Eysoldt zum zweiten Mal Mutter, und fünf Jahre später heiratete sie den Vater des Kindes. Ihr zweiter Mann, der Kunstmaler Benno Berneis (1883–1916) fiel im Zuge eines Einsatzes als Soldat im Ersten Weltkrieg.

Gertrud Eysoldt unterrichtete auch an der Schauspielschule des Deutschen Theaters und wurde 1920 schließlich Direktorin des Kleinen Schauspielhauses in Berlin-Charlottenburg. Zudem war sie dem noch jungen Medium Film gegenüber aufgeschlossen und wirkte gelegentlich an Stumm- und später Tonfilmproduktionen mit. Nachdem Max Reinhardt Deutschland 1933 verlassen hatte und ins Exil gegangen war, stand sie nur noch selten auf der Bühne.

Gertrud Eysoldt verließ 1943 das im Zuge der zunehmenden Luftangriffe unsicher gewordene Berlin und zog zu Freunden im bayrischen Ohlstadt. Dort verstarb sie am 5. Januar 1955.

Gertrud Eysoldt gilt wegen ihrer starken Frauenrollen auf der Bühne als „die erste Feministin des deutschen Theaters“. Magnus Hirschfeld und sie dürften sich persönlich mehrfach begegnet sein, schließlich war Gertrud Eysoldt auch mit dem Psychiater und Psychotherapeuten Arthur Kronfeld befreundet, der ab 1919 für etliche Jahre als „rechte Hand“ Hirschfelds am Institut für Sexualwissenschaft fungierte. Gertrud Eysoldt gehörte nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen in Deutschland neben Lou Andreas-Salomé, Louise Dumont, Käthe Kollwitz, Grete Meisel-Hess, Adele Schreiber und Helene Stöcker zu den sieben erstunterzeichnenden Frauen der Petition des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gegen den § 175 RStGB, der mann-männliche Sexualkontakte mit Strafe belegte. Am 2. Februar 1924 nahm sie neben Käthe Kollwitz und etlichen anderen an einer Feierlichkeit im Institut für Sexualwissenschaft teil.

Weiterführende Literatur

Anonym (1924): Eine neue wissenschaftliche Stiftung in Berlin [Kurzmeldung unter „Kunst / Wissen / Leben“], in: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung, 6.2.1924 (Jg. 82, Nr. 31), S. 2.

Hirschfeld, Magnus (1921): Aus der Bewegung, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 20), S. 107-142, hier S. 114-115.

Niemann, Carsten (1995): „Das Herz meiner Künstlerschaft ist Mut.” Die Max-Reinhardt-Schauspielerin Gertrud Eysoldt. In: prinzenstraße. Hannoversche Hefte zur Theatergeschichte. Hannover: Niedersächsische Staatstheater Hannover.