Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Lou Andreas-Salomé, Schriftstellerin, Psychoanalytikerin

geb. 12.2.1861 (St. Petersburg, RUS) gest. 5.2.1937 (Göttingen)

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Lou Andreas-Salomé, 1897. Foto: Atelier Elvira, München.
Lou Andreas-Salomé wurde am 12. Februar 1861 als Louise von Salomé in eine protestantische russisch-deutsche Familie in St. Petersburg geboren, in der neben Deutsch und Russisch auch Französisch gesprochen wurde. Im Alter von achtzehn Jahren lernte sie einen niederländischen Pastor kennen, der ihr als seiner Schülerin den Namen „Lou“ gab. Er unterrichtete sie unter anderem in Religionsgeschichte, Philosophie und Literatur. Als er ihr einen Heiratsantrag machte, brach Lou von Salomé den Kontakt mit ihm ab.

1880 zog Lou von Salomé in die Schweiz, wo sie als Gasthörerin Vorlesungen an der Universität in Zürich besuchte. Die Hochschule war damals eine der wenigen Hochschulen weltweit, die Frauen zum Studium zuließen. Eine ernsthafte Erkrankung zwang indes Lou von Salomé, ihr Studium zu unterbrechen. Um ihre angegriffene Lunge zu schonen, zog sie nach Rom, wo sie bald Kontakt zu der deutschen Schriftstellerin, Pazifisten und Frauenrechtlerin Malwida von Meysenburg (1816–1903) erhielt. In dem Kreis um von Meysenburg verkehrte auch der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844–1900), der Lou von Salomé ähnlich wie ein gemeinsamer Freund einen Heiratsantrag machte. Doch auch diese beiden Verehrer wies Lou von Salomé ab. Nietzsche versuchte später, seine Erfahrungen mit Lou von Salomé in seinem Buch Also sprach Zarathustra (1883–85) zu bearbeiten.

Als Lou von Salomé 1886 ihren späteren Ehemann, den Göttinger Orientalisten Friedrich Carl Andreas (1846–1930), kennenlernte und er sie heiraten wollte, willigte sie nur unter der Bedingung ein, dass sie die Ehe niemals sexuell vollziehen müsse. Die Ehe zwischen Lou und Friedrich Carl Andreas war widersprüchlich, hielt aber bis zu seinem Tod über vierzig Jahre.

Nach ihrer Eheschließung kam Lou Andreas-Salomé unter anderem in Berührung mit dem Friedrichshagener Dichterkreis, in dem sie Gerhart Hauptmann (1862–1946) und Maximilian Harden (1861–1927) begegnete. In Artikeln und Rezensionen beschäftigte sie sich mit den Frauengestalten des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen und widmete sich der Frage: „Wie muss eine Ehe beschaffen sein, um auch der Selbstverwirklichung, besonders der Frauen, Raum zu lassen?“

Lou Andreas-Salomé lernte auch den Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926) kennen, mit dem sie zunächst eine leidenschaftliche Beziehung verband, die sich aber bald in eine enge Freundschaft wandelte. Lou Andreas-Salomé unterhielt später ein Verhältnis mit dem schwedischen Psychiater und Nervenarzt Poul Bjerre (1876–1964), der sie wiederum mit Sigmund Freud (1856–1939) zusammenführte. Freud war als Vaterfigur während ihrer letzten 25 Lebensjahre die entscheidende Bezugsperson Lou Andreas-Salomés.

Lou Andreas-Salomé besuchte in Wien Freuds Vorlesungen und nahm unter anderem an seinen „Mittwochssitzungen“ teil. Sigmund Freud selbst hielt viel von seiner Schülerin und riet ihr zum Beruf der Psychoanalytikerin. Sie veröffentlichte psychoanalytische Fachartikel, Essays und Bücher und eröffnete 1915 in Göttingen die erste psychoanalytische Praxis der Stadt, in der sie bis kurz vor ihrem Tod Patienten behandelte.

Lou Andreas-Salomé starb am 5. Februar 1937 nach langer schwerer Krankheit.

Nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen in Deutschland gehörte Lou Andreas-Salomé neben den Schauspielerinnen Louise Dumont und Gertrud Eysoldt, der Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, der Schriftstellerin Grete Meisel-Heß und den beiden Frauenrechtlerinnen und Publizistinnen Adele Schreiber und Helene Stöcker zu den sieben erstunterzeichnenden Frauen der Petition des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gegen den § 175 RStGB, der mann-männliche Sexualkontakte mit Strafe belegte.

Schriften (Auswahl)

Andreas-Salomé, Lou (1892): Henrik Ibsen’s Frauen-Gestalten nach seinen sechs Familien-Dramen. Ein Puppenheim, Gespenster, die Wildente, Rosmersholm, die Frau vom Meere, Hedda Gabler. Berlin: Bloch.

Andreas-Salomé, Lou (1894): Friedrich Nietzsche in seinen Werken. Wien: Konegen.

Andreas-Salomé, Lou (1902): Im Zwischenland. Fünf Geschichten aus dem Seelenleben halbwüchsiger Mädchen. Stuttgart: J. G. Cotta.

Andreas-Salomé, Lou (1910): Die Erotik. Frankfurt/Main: Rütten & Loening.

Andreas-Salomé, Lou (1928): Rainer Maria Rilke. Leipzig: Insel.

Andreas-Salomé, Lou (1931): Mein Dank an Freud. Offener Brief an Professor Sigmund Freud zu seinem 75. Geburtstag. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag.

Andreas-Salomé, Lou (1951): Lebensrückblick. Grundriss einiger Lebenserinnerungen. Aus dem Nachlass herausgegeben von Ernst Pfeiffer. Zürich/Wiesbaden: Niehans/Insel.

Quellen

Hirschfeld, Magnus (1921): Aus der Bewegung, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 20), S. 107-142, hier S. 114-115.