Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Käthe Kollwitz, Grafikerin, Bildhauerin

geb. 8.7.1867 (Königsberg, heute Kaliningrad, RUS) gest. 22.4.1945 (Moritzburg)

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Käthe Kollwitz, 1927. Fotograf: Hugo Erfurth. Public Domain.
Käthe Kollwitz geb. Schmidt kam am 8. Juli 1867 als eins von vier Kindern des Maurermeisters Karl Schmidt (1825–1898) und dessen Frau Katharina geb. Rupp (1837–1925) in Königsberg (heute Kaliningrad, Russland) zur Welt. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in ihrer Heimatstadt Königsberg und nahm schon früh, gefördert durch ihren Vater, Unterricht bei einem Künstler. 1885 besuchte sie die Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen, kehrte aber schon nach einem Jahr wieder nach Königsberg zurück, wo sie ihre Studien fortsetzte. Schließlich studierte sie bis 1890 in München.

Im Juni 1891 heiratete Käthe Schmidt ihren langjährigen Verlobten, den Arzt Karl Kollwitz (1863–1940), mit dem sie nach Berlin zog. Das Ehepaar ließ sich in der damaligen Weißenburger Straße (heute Kollwitzstraße) im Ortsteil Prenzlauer Berg nieder, wo Karl Kollwitz fortan eine Allgemeinpraxis als Armenarzt betrieb. In Berlin wurde Käthe Kollwitz Mutter zweier Söhne, die 1892 und 1896 geboren wurden.

Karl Kollwitz engagierte sich in der Deutschen Liga für Menschenrechte und wurde nach 1919 als Stadtverordneter der SPD und als Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes tätig. Seine Frau Käthe Kollwitz bzw. Schmidt hatte sich schon Jahre vor ihrer Eheschließung als Grafikerin und Malerin mit der sozialen Frage und den Lebensumständen benachteiligter Menschen und Angehöriger der Arbeiterklasse beschäftigt. Als ihr zweitgeborener Sohn Peter als Soldat 1914 in Belgien fiel, kam Käthe Kollwitz in enge Berührung mit dem Pazifismus. Sie war Mitglied im Deutschen Künstlerbund und der Berliner Secession und arbeitete für die Internationale Arbeiterhilfe (IAH).

Obwohl Käthe Kollwitz nie einer Partei angehörte, unterstützte sie einen Aufruf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) zur Zusammenarbeit von KPD und SPD. 1933 wurde sie zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste gezwungen, und drei Jahre später wurden ihre Werke von einer Jubiläumsausstellung Berliner Bildhauer entfernt, was einem offiziellen Ausstellungsverbot gleichkam. 1937 wurden mehrere Werke Käthe Kollwitz‘ als „entartete Kunst“ beschlagnahmt und zwangsveräußert.

Gleichwohl konnte Käthe Kollwitz selbst relativ unbehelligt weiter schaffend tätig sein. 1943 floh sie vor den drohenden Bombenangriffen aus Berlin nach Nordhausen (Thüringen), wobei zahlreiche ihrer Werke in ihrer Berliner Wohnung durch Bombentreffer vernichtet wurden. Im Sommer 1944 zog Käthe Kollwitz nach Moritzburg bei Dresden um, wo sie am 22. April 1945, nur wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, starb.

Magnus Hirschfeld und Käthe Kollwitz dürften einander mehrfach begegnet sein. Kollwitz gehörte 1920 neben Lou Andreas-Salome Louise Dumont, Gertrud Eysoldt, Grete Meisel-Hess, Adele Schreiber und Helene Stöcker zu den sieben erstunterzeichnenden Frauen der Petition gegen den § 175 RStGB, der mann-männliche Sexualkontakte unter Strafe stellte. Am 2. Februar 1924 nahm sie neben Gertrud Eysoldt und etlichen anderen an einer Feierlichkeit im Institut für Sexualwissenschaft teil.

Ilse Kokula hat herausgestellt, dass Käthe Kollwitz heute zwar den meisten als „treusorgende Ehefrau und Mutter“ bekannt ist, dass sie aber gleichwohl zu den Sympathisantinnen eines Kommunikationsnetzwerkes lesbischer Künstlerinnen zur Zeit der Weimarer Republik gehörte. Käthe Kollwitz schrieb einmal über sich selbst: „Rückblickend auf mein Leben muß ich noch dazufügen, daß – wenn auch die Hinneigung zum männlichen Geschlecht die vorherrschende war – ich doch wiederholt auch eine Hinneigung zu meinem eigenen Geschlecht empfunden habe, die ich meist erst später richtig zu deuten verstand. Ich glaube, daß Bisexualität für künstlerisches Tun fast notwendig Grundlage ist, daß jedenfalls der Einschlag M. in mir meiner Arbeit förderlich war.“ Mit „Einschlag M.” meinte sie offenbar ihre eigenen männlichen Anteile.

Weiterführende Literatur (Auswahl)

Anonym (1924): Eine neue wissenschaftliche Stiftung in Berlin [Kurzmeldung unter „Kunst / Wissen / Leben“], in: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung, 6.2.1924 (Jg. 82, Nr. 31), S. 2.

Hirschfeld, Magnus (1921): Aus der Bewegung, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 20), S. 107-142, hier S. 115.

Kokula, Ilse (1994): Lesbisch leben von Weimar bis zur Nachkriegszeit (Nachwort), in: Meyer, Adele. Hrsg. Lila Nächte. Die Damenklubs im Berlin der Zwanziger Jahre. Berlin: Edition Lit.europe, S. 101-123. hier S. 105.

Kollwitz, Käthe (1981): Ich will wirken in dieser Zeit. Auswahl aus den Tagebüchern und Briefen, in: Graphiken, Zeichnungen und Plastik. Hgg. von Hans Kollwitz. Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein.