Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Hedwig Dohm, Schriftstellerin, Frauenrechtlerin

geb. 20.9.1831 (Berlin) gest. 1.6.1919 (Berlin)

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Hedwig Dohm, um 1900. Foto: J. C. Schaarwächter Berlin. Quelle: Thomas Mann Archiv Zürich.
Hedwig Dohm wurde am 20. September 1831 als viertes von insgesamt 18 Kindern eines Tabakfabrikanten und dessen Ehefrau in Berlin geboren. Ihr Geburtsname war Marianne Adelaide Hedwig Schlesinger. Väterlicherseits entstammte sie einer jüdischen Familie, doch war ihr Vater schon vor ihrer Geburt zum Christentum konvertiert. Ab 1851 führte er den Familiennamen Schleh.

Wie ihren Schwestern kam Hedwig Schlesinger nur eine eingeschränkte Schulbildung zuteil. Sie musste früh die Schule verlassen, um im Haushalt der Familie zu helfen. Mit 18 Jahren wurde ihr indes der Besuch eines Lehrerinnenseminars gestattet. Hedwig Schlesinger heiratete 1853 Ernst Dohm (1819–1883), den Chefredakteur der satirischen Zeitschrift Kladderadatsch. Hedwig Dohm wurde Mutter von fünf Kindern, von denen eins schon früh verstarb. Eine ihrer Enkeltöchter war Katia Mann geb. Pringsheim (1883–1980), die Ehefrau von Thomas Mann.

1867 debütierte Hedwig Dohm mit der Studie Die spanische National-Literatur in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Das Wissen zu dem Buch hatte sie sich autodidaktisch angeeignet. In den 1870er Jahren folgten mehrere Bücher, in denen sich Hedwig Dohm für die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzte. 1873 sprach sie sich als eine der ersten in Deutschland öffentlich für das Stimmrecht für Frauen aus. Hedwig Dohm forderte gleiche Bildungschancen für Mädchen wie für Jungen. Ihrer Überzeugung nach war die Erwerbstätigkeit der einzige Weg für Frauen, um nicht mehr im „Ehegefängnis“ zu landen und sich frei für oder gegen eine gleichberechtigte Partnerschaft mit einem Mann zu entscheiden. Die Mutterliebe war nach Hedwig Dohms Auffassung kein natürlicher Trieb, sondern weitgehend anerzogen. Hedwig Dohm machte sich dafür stark, Hausarbeit und Kindererziehung institutionell organisieren zu lassen, damit auch Mütter weiter ihrem Beruf nachgehen könnten.

Ihre Bücher machten Hedwig Dohm in weiten Kreisen bekannt, brachten ihr aber auch viel Kritik ein – nicht nur von männlicher Seite, sondern auch von Teilen der Frauenbewegung ihrer Zeit, denen Dohms Forderungen zu radikal waren. Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen konzentrierten sich damals auf Forderungen nach einer verstärkten schulischen Bildung für Mädchen und der Unterstützung lediger Mütter.

Hedwig Dohm schrieb ab Mitte der 1870er Jahre vorrangig eine Reihe von Lustspielen, Novellen und Romanen. Gut ein Jahrzehnt später wandte sie sich aber auch wieder der Frauenbewegung zu. Sie war unter anderem Mitbegründerin des Frauenvereins „Reform“, der sich für das Frauenstudium einsetzte, sie trat Minna Cauers „Verein Frauenwohl“ ein und war Mitglied von Helene Stöckers „Bund für Mutterschutz und Sexualreform“ (BfM). Im Ersten Weltkrieg gehörte Hedwig Dohm zu den wenigen Intellektuellen in Deutschland, die sich kompromisslos gegen den Krieg und für den Frieden aussprachen. Die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland 1918 erlebte sie noch.

Wie eng sich die Beziehung und die Zusammenarbeit zwischen Hedwig Dohm und dem fast 40 Jahre jüngeren Magnus Hirschfeld gestaltete, ist nicht belegt. In einem Beitrag für das Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen aus Anlass von Hirschfelds 50. Geburtstag nannte Dohm Hirschfeld 1918 einen herausragenden Forscher und Denker, „Mann der Tat“, „idealgesinnten Menschenfreund“ und „Wohltäter der Menschen“. Anerkennend schrieb sie: „Selten wohl stimmten Herz und Kopf zusammen wie bei diesem grundgütigen und hochintelligenten Sexualpsychologen. Wer ihn persönlich kennt, kann nicht anders als ihn liebend verehren.“ Magnus Hirschfeld und seine Schwester Franziska Mann wiederum würdigten im selben Jahr Dohm, indem sie ihr ihre Flugschrift Was jede Frau vom Wahlrecht wissen muß! widmeten. Außerdem zitierte Hirschfeld Hedwig Dohm in seinem Monumentalwerk Geschlechtskunde (1928) mit Ausführungen zum Kampf der christlichen Kirche gegen die Geschlechtsliebe. Dieser Kampf, so Dohm und Hirschfeld, habe die Menschen lediglich „zur Gewissensquälerei und zu Heuchlern erzogen.“

Hedwig Dohm starb hochbetagt am 1. Juni 1919 in Berlin. Sie wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg beigesetzt. 2007 wurde dort vom Journalistinnenbund zunächst eine Gedenkstätte mit neuem Grabstein errichtet. Seit 2018 ist ihr Grab als Ehrengrabstätte der Stadt Berlin ausgewiesen.

Würdigungen

In mehreren deutschen Städten (so etwa in Berlin, Bremen, Saarbrücken und Stuttgart) gibt es heute Straßen und/oder Schulen, die nach Hedwig Dohm benannt sind. Der Journalistinnenbund verleiht seit 1991 jährlich die Hedwig-Dohm-Urkunde an Frauen, die sich durch herausragende journalistische Leistungen und frauenpolitisches Engagement hervorgetan haben (siehe hier). 2022 wurde vom Journalistinnenbund erstmals das Hedwig-Dohm-Recherchestipendium vergeben.

Schriften (Auswahl)

Dohm, Hedwig (1874): Die wissenschaftliche Emancipation der Frauen. Berlin: Wedekind & Schwieger (online hier)

Dohm, Hedwig (1876): Der Frauen Natur und Recht. Zur Frauenfrage. Zwei Abhandlungen über Eigenschaften und Stimmrecht der Frauen. Berlin: Wedekind & Schwieger (online hier)

Dohm, Hedwig (1902): Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung. Berlin: Ferdinand Dümmlers Verlagsbuchhandlung (online hier)

Dohm, Hedwig (1903): Die Mütter. Ein Beitrag zur Erziehungsfrage. Berlin: S. Fischer.

Dohm, Hedwig, zusammen mit Anita Augspurg, Helene Stöcker, Adele Schreiber u.a. (1912): Ehe? zur Reform der sexuellen Moral. Berlin: Internationale Verlagsanstalt für Kunst und Literatur.

Dohm, Hedwig (1916): Der Friede und die Frauen. In: Kurt Hiller (Hrsg.): Das Ziel. Aufrufe zu tätigem Geist. München: Georg Müller, S. 167-170.

Dohm, Hedwig (1918): [Magnus Hirschfeld zum 50. Geburtstag], in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 18), Sonderheft der Vierteljahresberichte des WhK während der Kriegszeit, S. 74-75.

Weiterführende Literatur

Bock, Jessica (2021): Hedwig Dohm [für FrauenMediaTurm], in: Digitales Deutsches Frauenarchiv.

Brandt, Heike (1995): „Die Menschenrechte haben kein Geschlecht.” Die Lebensgeschichte der Hedwig Dohm (Jugendsachbuch): Weinheim und Basel: Beltz & Gelberg.

Duda, Sibylle und Luise F. Pusch (1994): Hedwig Dohm, auf: FemBio Frauen.Biographieforschung.

Hirschfeld, Magnus und Mann, Franziska (1918): Was jede Frau vom Wahlrecht wissen muß! Berlin: Alfred Pulvermacher (online hier zugänglich).

Hirschfeld, Magnus (1928): Geschlechtskunde (2. Band: Folgen und Folgerungen). Stuttgart: Julius Püttmann, S. 18.

Mann, Franziska (1919): Der Dichterin – Dem Menschen! Zum 9. Juni 1919 [mit Beiträgen von Hedwig Dohm, Ellen Key, Arthur Silbergleit und Magnus Hirschfeld]. Jena: Landhausverlag.

Meissner, Julia (1987): Mehr Stolz, ihr Frauen! Hedwig Dohm. Eine Biographie (Frauengeschichte, 49). Düsseldorf: Schwann.

Pailer, Gaby (2011): Hedwig Dohm (Meteore, 7). Hannover: Wehrhahn.

Rohner, Isabel (2010): Spuren ins Jetzt. Hedwig Dohm – eine Biografie. Sulzbach/Taunus. Helmer (siehe auch hier).

Schreiber, Adele (1914): Hedwig Dohm als Vorkämpferin und Vordenkerin neuer Frauenideale. Berlin: Märkische Verlagsanstalt.

Wolff, Kerstin (2018): Hedwig Dohm – scharfzüngige und pointierte Schriftstellerin, in: Linnemann, Dorothee (Hrsg.): Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht (Schriften des Historischen Museums Frankfurt, 36). Frankfurt/Main: Societätsverlag, S. 50-51 (siehe auch hier).