Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Francis Turville-Petre, Archäologe

geb. 4.3.1901 (vermutlich London, Großbritannien) gest. 16.8.1942 (Kairo, Ägypten)

Zur Biografie

Francis Turville-Petre wurde 1901 in eine englische katholische Familie geboren – vermutlich in London. Er verbrachte aber die meiste Zeit seiner Kindheit in Bosworth Hall zwischen Birmingham und Leicester. Seine Eltern waren Oswald Turville-Petre und dessen Frau Margaret geb. Cave. Das Paar hatte zwei Söhne und drei Töchter. Francis Turville-Petre besuchte die Schule in Eastbourne und immatrikulierte sich 1920 am Exeter College in Oxford. Sein Studium schloss er jedoch nie ab, auch weil seine Mitstudenten ihm wegen seiner Homosexualität das Leben schwer machten.

Francis Turville-Petre erkannte früh, dass seine Berufung die Archäologie des Nahen Ostens war, und schon 1923 verbrachte er ein Jahr an der British School of Archaeology in Jerusalem. 1925 führte er Ausgrabungen in zwei Höhlen am See Genezareth durch und fand den Schädel eines „Homo heidelbergensis”, der in und außerhalb von Fachkreisen schnell auf ein großes wissenschaftliches Interesse stieß. Noch heute gilt er als einer der ältesten und wesentlichsten Hominidenfunde des Nahen Ostens. Obwohl Francis Turville-Petre früh zu Ruhm gekommen war, viel beachtete Vorträge hielt und ebensolche Schriften vorlegte, fand seine Karriere bereits wenige Jahre später ein abruptes Ende. Seine letzten Grabungen führte Turville-Petre 1931 in den Kebara-Höhlen südlich von Haifa durch.

Vor und nach seinem dritten Aufenthalt in Palästina führte Francis Turville-Petre ein rastloses Leben außerhalb Großbritanniens. Er wohnte zunächst als Mieter von Recha Tobias (1857–1942), Magnus Hirschfelds Schwester, in Berlin direkt neben dem Institut für Sexualwissenschaft und später überwiegend in Griechenland. Nach Berlin war er gekommen, um sich von Magnus Hirschfeld gegen die Syphilis behandeln zu lassen. Während dieser Zeit lernte Turville-Petre unter anderem die britischen Schriftsteller Christopher Isherwood (1904–1986), W. H. Auden (1907–1973) und Stephen Spender (1909–1995) kennen, die ihm nur leicht verfremdet in ihren literarischen Arbeiten Denkmäler setzten. Insbesondere für Isherwood hatte Turville-Petre vorübergehend eine besondere Bedeutung, weil er ihn mit den Bars rund um das Hallesche Tor in Berlin-Kreuzberg bekannt machte, in denen junge Männer aus der Arbeiterklasse der Prostitution nachgingen.

1928 gehörte Turville-Petre neben den Sexualreformern Havelock Ellis (1859–1939) und Norman Haire (1892–1952) auch dem Gründungsausschuss der Weltliga für Sexualreform an, und in diesem Jahr wurde er ebenfalls zum Obmann des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gewählt.

1931 ließ sich Francis Turville-Petre in Griechenland nieder, wo er ein Grundstück auf einer kleinen Insel in der Nähe von Chalkida pachtete. Ursprünglich wollte er auch hier Grabungen durchführen, doch verweigerten die griechischen Behörden ihm die nötige Lizenz. Offenbar hatten kursierende Gerüchte über Turville-Petres ausufernden Alkoholkonsum und seine Homosexualität hierzu beigetragen.

Kurz nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Griechenland verließ Francis Turville-Petre das Land mit einem der letzten Schiffe aus Piräus und floh nach Alexandria in Ägypten. Francis Turville-Petre starb im Sommer 1942 im Kairoer Stadtteil El-Zeitoun an den Folgen der Syphilis und seines langjährigen Alkoholmissbrauchs.

Weiterführende Literatur

Bar-Yosef, Ofer; Callander, Jane (1997): A Forgotten Archaeologist. The Life of Francis Turville-Petre. In: Palestine Exploration Quarterly 129, S. 2-18.