Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Berty Albrecht, Publizistin, Widerstandskämpferin

geb. 15.2.1893 (Marseille, Frankreich) gest. 31.5.1943 (Fresnes, Frankreich)

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Berty Albrecht, um 1942. Foto: Public domain.
Berty Albrecht wurde am 15. Februar 1893 in eine protestantische bürgerliche Familie in Marseille geboren, die ursprünglich aus der Schweiz kam. Ihr Geburtsname war Berthe Pauline Mariette Wild. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester ging sie nach London, wo sie als Betreuerin in einem Mädcheninternat tätig wurde. Um 1914 kehrte sie nach Marseille zurück und arbeitete für das Rote Kreuz an verschiedenen Militärkrankenhäusern.

Berty Wild heiratete 1918 den niederländischen Bankier Frédéric Albrecht, mit dem sie in den Niederlanden und in England zusammenlebte und mit dem sie zwei Kinder bekam. In London lernte Berty Albrecht eine Reihe von britischen Feministinnen kennen, die sie ermunterten, sich für die Gleichberechtigung von Frau und Mann einzusetzen. Sie trennte sich von ihrem Ehemann und zog 1931 nach Paris, wo sie zwei Jahre später die feministische Zeitschrift Le Problème Sexuel gründete. Zu jener Zeit besaßen Frauen in Frankreich noch kein Wahlrecht, es gab so gut wie keine legalen Verhütungsmittel, und der Schwangerschaftsabbruch war streng verboten.

Berty Albrecht war Mitglied der Weltliga für Sexualreform (WLSR) und gab die Zeitschrift Le Problème Sexuel, die von 1933 bis 1935 mit insgesamt sechs Ausgaben erschien, zunächst zusammen mit Magnus Hirschfeld, dem britisch-australischen Arzt und Sexualreformer Norman Haire (1892–1952) und anderen heraus. Doch Hirschfelds Name wurde nur im ersten Heft genannt.

Weil es schon bald zu einem Konflikt zwischen Berty Albrecht und Hirschfeld kam, hat dieser sich später nicht mehr redaktionell oder als Autor in die Zeitschrift eingebracht. In dem Konflikt ging es um Anschuldigungen, die Norman Haire von Berty Albrecht gehört hatte. Haire verlangte daraufhin bei Hirschfeld um Aufklärung. In der Sache ging es auch um den Ruf der Weltliga für Sexualreform, die maßgeblich von Magnus Hirschfeld gegründet worden war und deren Präsident er war. Haire gehörte neben Hirschfeld und dem Schweizer Psychiater Auguste Forel (1848–1931) seit 1930 ebenfalls dem Präsidium der WLSR an.

Es scheint, Hirschfeld konnte den Konflikt mit Haire durch briefliche Einlassungen weitgehend beilegen, doch die Beziehung zwischen ihm und Berty Albrecht war zerrüttet. Für Hirschfeld war und blieb Albrecht „eine äußerst intrigante ehrgeizige Person“, die ihm viele Schwierigkeiten bereitet habe. In der letzten Ausgabe von Le Problème Sexuel (Juni 1935) wurde der Tod Magnus Hirschfelds nur kurz erwähnt. Zu der für das folgende Heft angekündigten Würdigung ist es nicht mehr gekommen.

Berty Albrecht stand in klarer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und nahm bereits 1933 deutschsprachige Flüchtlinge in ihrem Haus in Sainte-Maxime an der Côte d‘Azur, rund achtzig Kilometer südwestlich von Nizza, auf. 1940 war sie an der Gründung einer Organisation der nationalen Befreiung beteiligt, aus der die Widerstandgruppe „Combat“ („Kampf) hervorging. Hier wirkte Berty Albrecht unter anderem an der Herausgabe und Verbreitung illegaler Zeitschriften mit. Als bekannte Gegnerin und Aktivistin gegen den Nationalsozialismus wurde Berty Albrecht zunächst von der französischen Polizei, später auch von den deutschen Behörden überwacht.

Nachdem deutsche Truppen auch die Südzone Frankreichs besetzt hatten, wurde Berty Albrecht am 28. Mai 1943 von der Gestapo festgenommen und gefoltert. Am 31. Mai 1943 schied sie im Fort Montluc in der Gemeinde Fresnes unweit von Paris, das den deutschen Besatzern als Gefängnis diente, durch Selbstmord aus dem Leben. Ihr Leichnam wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in der Gedenkstätte „Mémorial de la France combattante“ am Mont Valérien westlich von Paris beigesetzt.

Publikationen

Albrecht, Berty. Hrsg. (1933–1935): Le Problème Sexuel. Revue trimestrielle. Morale – Eugénique – Hygiène – Legislation. Paris: Imprimerie Centrale.

Weiterführende Literatur

Albrecht, Mireille (2001): Vivre au lieu d’exister. La vie exceptionnelle de Berty Albrecht, compagnon de la Libération. Monaco: Edition du Rocher.

Herzer, Manfred (2017): Magnus Hirschfeld und seine Zeit. Berlin: De Gruyter Oldenbourg, S. 323, 376-377.

List, Corinna von (2010): Frauen in der Résistance 1940–1944. „Der Kampf gegen die ‚Boches’ hat begonnen!” (Krieg in der Geschichte, 59). Paderborn u.a.: Schöningh.

Missika, Dominique (2005): Berty Albrecht. Paris: Perrin.