Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Krzysztof Jung 1951–1998: Zeichnungen

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Mit Krzysztof Jungs zeichnerischem Œuvre zeigt das Schwule Museum erstmals einen Künstler aus Polen in einer Einzelausstellung. Jung wurde 2010 in der großartigen Ausstellung Ars Homo Erotica, die Paweł Leszkowicz im Nationalmuseum Warschau kuratierte, als ein wichtiger Akteur homosexueller Kunst gewürdigt. Noch vor der Show Queer British Art 1861–1967, die 2017 in der Tate Galerie in London stattfand, war die Warschauer Ausstellung ein Fanal. Unvorstellbar bisher, dass die Berliner Neue Nationalgalerie eine Ausstellung zu diesem Thema präsentiert.

Der Performancekünstler Krzysztof Jung wurde 2016 in der Galerie Salon Akademii an der Akademie der Schönen Künste in Warschau vorgestellt. Jungs Performances rücken den bis dahin tabuierten nackten männlichen Körper in den Fokus. In seinen Aktionen geht es um Nähe, Solidarität, Kommunikation und deren Dekonstruktion. Jung wob zwischen den Akteuren Netze aus Baumwollfäden, die das Zusammenschnüren, Trennendes, Verbindendes und die Grenzen schmerzhaft erfahrbar machen. Von diesen Happenings existieren heute nur noch Rezensionen, Fotos und Reste der Fäden.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Krzysztof Jungs Serie über den Heiligen Sebastian, die wahrscheinlich von Derek Jarmans Film „Sebastiane“ aus dem Jahr 1976 inspiriert wurde. Das Thema hat Jung von Mitte der 1970er Jahre bis in die 1990er Jahre beschäftigt. Auch bei ihm ist das Faszinosum der männliche Akt, die Hingabe an den Schmerz. Von Blatt zu Blatt wechseln feinste Bleistiftschraffuren mit furios aufgetragenem Ölpastell, zartem Aquarell in Rosa und akribisch gestricheltem Kugelschreiber. Das Thema der Hingabe zum Tode kommt ganz ohne Pfeilspitzen aus. Der Tod scheint in diesen Variationen ausgespart, unsichtbar. Der eiserne Vorhang schützte die polnischen Homosexuellen vor AIDS. Im Westen wütete das Humane Immundefizienz-Virus vor allem unter homosexuellen Männern. Ob in Krzysztof Jungs Sebastian-Arbeiten AIDS eine Rolle spielt, bleibt Spekulation. Evident ist nur der zeitgleiche Rahmen.

Krzysztof Jungs schönste homoerotische Werke, eine große Sammlung männlicher Aktzeichnungen, blieben bisher einem breiten Publikum unbekannt. Diese Arbeiten, die im Museum der Warschauer Akademie der Schönen Künste im Depot liegen, werden nun zum ersten Mal im Schwulen Museum gezeigt. Berlin war in den 1980er Jahren für Jung ein wichtiges Reiseziel, ein Symbol der persönlichen Freiheit und vor allem der freien Entfaltung auch seiner schwulen Wünsche. Dass diese Ausstellung zustande kam, verdanken wir Krzysztof Jungs Nachlassverwalterin Dorota Krawczyk-Janisch und seinem langjährigen Freund Wojciech Karpiński, die beharrlich den Plan dieser Ausstellung verfolgten.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Dorota Krawczyk-Janisch, Wolfgang Theis und Raimund Wolfert.

Literatur

  • Raimund Wolfert: Płomień. Krzysztof Jung, prekursor polskiej sztuki gejowskiej
    In: Zeszyty literackie 29 (2011) 113, S. 104–110
  • Raimund Wolfert: „Flamme bin ich sicherlich“: Krzysztof Jung, Pionier der polnischen „Gay Art“
    In: Lambda- Nachrichten 2010 (Jg. 32), Nr. 5 (Dezember), S. 30-33.