Horst Winckelmann, Fabrikbesitzer
Zur Biografie
Über die Lebensumstände von Horst Winckelmann bzw. Horst Kretschmann, wie er eigentlich hieß, liegen heute nur wenige gesicherte Erkenntnisse vor. Horst Kretschmann war ein Sohn des Kaufmanns Charles Heinrich Kretschmann (um 1838–1914) und dessen Frau Margarethe geb. Bergmann. Die Eltern hatten 1870 in Leipzig geheiratet, und im selben Jahr wurde ihre erste Tochter, die spätere Malerin und Bildhauerin Elfriede bzw. Frieda Kretschmann-Winckelmann (1870–1939), geboren. Sie wurde Der Vater, der gebürtig aus Paris stammte, sich 1863 zunächst in Wien niedergelassen hatte und noch um 1871 dem „Comite zur Wahrung der Rechte der aus Frankreich vertriebenen Deutschen“ angehörte, erlebte 1883 einen verheerenden Konkurs. Er und seine Frau dürften sich später getrennt haben, denn im Matrikelbuch der Heidelberger Universität (1903) wird für Horst Kretschmann einzig dessen Mutter Margarethe (jetzt: Winckelmann) in Charlottenburg als Angehörige genannt. Im Zuge der erneuten Eheschließung der Mutter mit dem Berliner Fabrikbesitzer und Charlottenburger Stadtrat Clemens Winckelmann (1842–1908) nahmen ihre zwei Kinder Frieda und Horst Kretschmann zusätzlich den Nachnamen des Stiefvaters an.Im Mai 1914 suchte Frieda Kretschmann-Winckelmann per Zeitungsanzeige in Wien einen „ruhigen Aufenthaltsort“ für einen älteren alleinstehenden „halsleidenden Herrn“, und wenige Wochen später hielt sich Horst Kretschmann laut einer veröffentlichten „Fremdenliste“ in der österreichischen Hauptstadt auf. Offenbar handelte es sich bei dem „älteren“ Herrn um Frieda und Horst Kretschmanns Vater, Charles Kretschmann, der laut dem Wiener Fremdenblatt (vom 15. September 1914) wenig später an einer „Kehlkopfentartung“ starb.
Horst Kretschmann studierte Philologie an den Universitäten in Berlin und Heidelberg und wohnte später wieder in seiner Heimatstadt Berlin. Unter dem Namen „Horst Winckelmann“ wurde er 1922 zum Obmann des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) ernannt, und 1931 wurde er als „Horst Kretschmann-Winckelmann“ zum Beisitzer in den Vorstand des WhK gewählt. Am 4. September 1928 empfing der Reichsminister der Justiz Dr. Erich Koch-Weser (1875–1944) Magnus Hirschfeld und Horst Kretschmann-Winckelmann „zu einer ausführlichen Aussprache“ zur geplanten Strafrechtsreform. Von Seiten des WhK hieß es wenig später, das Ergebnis der Aussprache sei als „befriedigend“ anzusehen.
Ungeklärt ist nach wie vor, welcher Art die Fabrik war, die Horst Kretschmann-Winckelmann besaß. Möglicherweise handelte es sich um die Berliner Holzschraubenfabrik „C. Winckelmann“, die ursprünglich Kretschmanns Stiefvater betrieben hatte. Nach dessen Tod führte Kretschmanns Mutter Margarethe Winckelmann den Betrieb weiter.
Lange scheint der Sohn nicht Inhaber der Fabrik gewesen zu sein.1926 suchte Horst Kretschmann im Namen des „Toterra Versandhauses“ in den Räumen Gießen, Bonn und Hagen Vertreter, doch ist unbekannt, mit welchen Produkten das Versandhaus handelte. Um 1929 scheint Kretschmann dann in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein, denn am 26. September 1929 wurde seine Bibliothek, zusammen mit Büchern aus anderem Besitz, im Berliner Auktionshaus und Antiquariat Max Perl, Unter den Linden 19, versteigert. „Die reichhaltigen Bestände umfassen die verschiedensten Gebiete: Manuskripte, alte Drucke und Inkunabeln, deutsche und ausländische Literatur, Miniaturen, Silhouetten, Luxus- und Pressendrucke, illustrierte Bücher [und] Mappenwerke“, hieß es etwa in der Kölnischen Zeitung.
Als Horst Kretschmann am 30. Juli 1942 an den Folgen einer Blutvergiftung starb, wurde er in den Unterlagen als Behördenangestellter geführt. Horst Kretschmannn-Winckelmann blieb zeit seines Lebens unverheiratet.
Quellen und weiterführende Literatur
Kant-Studien. Philosophische Zeitschrift 1921 (Bd. 26), S. 283.
Kommende Versteigerungen, in: Kölnische Zeitung vom 24.9.1929 (Abendausgabe, Nr. 524b), S. 2.
[Notiz zur Firmenübernahme], in: Berliner Börsen-Zeitung vom 5.12.1908 (Abendausgabe, Nr. 572), S. 15 (V. Beilage).
Pfäfflin, Friedemann. Hrsg. (1985): Mitteilungen des Wissenschaftlich-Humanitären Komitees 1926–1933 (Arcana bibliographica, 4). Faksimile-Nachdruck. Mit einer Einleitung. Hamburg: C. Bell, S. 133.