Johannes Werres, Journalist
Zur Biografie


Johannes Werres stammte aus einem streng katholischen Elternhaus. Offenbar nahm er als Soldat in Nord-Frankreich aktiv am Zweiten Weltkrieg teil und geriet in Kriegsgefangenschaft. Um 1945 schrieb er sich für katholische Theologie an der Universität in Bonn ein. Er wollte ursprünglich Priester werden, doch als er sich zu seinen homosexuellen bzw. päderastischen Neigungen bekannte, wurde er aus dem Konvikt und dem Studium verwiesen. Nachdem er dann auch sein Elternhaus verlassen musste, verlegte er sich aufs Schreiben und wurde Reporter und Redaktionsvolontär.
Um 1949 kam er beruflich zum ersten Mal nach Hamburg und so in Kontakt mit der dortigen „homosexuellen Szene“. In der Folge schrieb er auch für zeitgenössische „Homophilenzeitschriften“ wie Der Kreis, Die Gefährten und Zwischen den anderen – allerdings unter wechselnden Pseudonymen. Die bekanntesten waren und sind noch heute „Jack Argo“ und „Norbert Weissenhagen“. Nach Aufenthalten in Freiburg/Breisgau und Washington (USA) zog er nach Frankfurt, wo er als Aushilfe für die Frankfurter Neue Presse tätig wurde und bald Wolfgang E. Bredtschneider, Hans Giese und Heinz Meininger vom Verein für humanitäre Lebensgestaltung (VhL) kennenlernte.
Zurück in Hamburg wurde Johannes Werres 1954 Sekretär des „Homophilenaktivisten“ Erwin Haarmann (1915–1972), der als Vorsitzender der Hamburger Gesellschaft für Menschenrechte (GfM) fungierte, und Mitarbeiter der „Homphilenzeitschrift“ Humanitas. Doch schon bald kam es zu unüberbrückbaren Spannungen zwischen Haarmann und Werres, und von 1956 bis 1958 arbeitete dieser dann für das niederländische COC und das International Committee for Sexual Equality (ICSE). Von Amsterdam aus redigierte er einen deutschsprachigen Pressedienst unter dem Titel „ICSE-Press“ sowie den mehrsprachigen ICSE-Newsletter. Werres übersetzte zunächst englischsprachige Presseberichte und Artikel aus amerikanischen Zeitschriften wie One und Mattachine Review, dann folgten auch Übersetzungen aus dem Niederländischen.
Auf den ICSE-Präsidenten „Floris van Mechelen“ (d.i. Henri Methorst) war Johannes Werres später nicht gut zu sprechen. Er habe ihm mehrere Ämter im Vorstand des ICSE „aufgehalst“, so Werres 1990, und er selbst sei sich dabei wie ein „Prügelknabe“ vorgekommen, „mit dem man alles machen konnte“. Negativ waren im Rückblick aber überhaupt mehrere Urteile, die Werres über frühere „homophile“ Weggefährten fällte, so etwa die über Erwin Haarmann und Hans Giese.
Da er keine gültigen Aufenthaltspapiere für die Niederlande besaß, wurde Johannes Werres Anfang 1958 nach Deutschland abgeschoben. In der Folge galt er in den Niederlanden als „unerwünschte Person“. Über den Hamburger Arzt und Sexualwissenschaftler Willhart S. Schlegel (1912–2001) lernte Johannes Werres um diese Zeit seinen späteren Lebenspartner Heinz Liehr (1917–1990) kennen. Im Zuge dessen nahm Werres auch Abschied von seinen Tätigkeiten für homosexuelle Gruppen und Zeitschriften und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter an Schlegels privat geführtem „Institut für Konstitutionsbiologie und menschliche Verhaltensforschung“.
Johannes Werres und Heinz Liehr ließen sich 1984 in Positano bei Neapel (Italien) nieder. Sie bezogen eine Wohnung im Viertel Pastiniello und zogen wohl auch als Paar manche Blicke auf sich. Insbesondere an Heinz Liehr, der stets ein Haarnetz trug und sich als Autor erotischer Romane des Pseudonyms „Rico di Positano“ bediente, konnte man sich Jahre nach seinem Tod noch erinnern. Johannes Werres starb am 19. Mai 1990, sein Lebensgefährte Heinz Liehr wenige Monate später, am 11. September 1990. Ihre sterblichen Überreste wurden in zwei getrennten, aber benachbarten Ossarium-Nischen der Kapelle auf dem Friedhof in Positano beigesetzt.
Weiterführende Literatur
Argo, Jack [d.i. Johannes Werres] (1952): Kongress Impressionen, in: Periodical Newsletter, [Nr. 8] (Oktober 1952), S. 19-21 [siehe hier auch S. 8-10].
Hergemöller, Bernd-Ulrich (2010): Werres, Johannes, in: Hergemöller, Bernd-Ulrich (Hrsg.): Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum (zwei Bände). Münster/Berlin: Lit-Verlag, S. 1255-1257.
Werres, Johannes (1982): „Alles zog sich ins Ghetto zurück“. Leben in deutschen Großstädten nach 1945. In: Joachim S. Hohmann (Hrsg.): Keine Zeit für gute Freunde. Homosexuelle in Deutschland 1933–1969. Ein Lese- und Bilderbuch. Berlin: Foerster, S. 82-92.
Werres, Johannes (1990): Als Aktivist der ersten Stunde. Meine Begegnungen mit homosexuellen Gruppen und Zeitschriften, in: Capri. Zeitschrift für schwule Geschichte (Jg. 3), Nr. 1, S. 33-51.
Internetquellen
Scheda anagrafica sepolture [Registerblatt zur Beisetzung], auf der Website der Gemeinde Positano: positano.sa.it.