Eric Thorsell, Metallarbeiter
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Eric Thorsell wurde am 28. Dezember 1898 als uneheliches Kind einer 46-jährigen Witwe im mittelschwedischen Munktorp (Västmanland) geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Früh entdeckte er die damals vorliegende Fachliteratur über Homosexualität, die er auf Deutsch las. Die aus Norwegen stammende Journalistin und Sexualaufklärerin Elise Ottesen-Jensen (1886–1973), die schwedisches Gründungsmitglied der Weltliga für Sexualreform (WLSR) war, riet Thorsell um 1930, sein Wissen über Homosexualität am Institut für Sexualwissenschaft in Berlin zu vertiefen. Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben an Max Hodann (1894–1946) und Felix Abraham (1901–1937) begab sich Thorsell Ende 1931 auf die Reise. In den folgenden Monaten besuchte er das Institut für Sexualwissenschaft und insbesondere dessen Bibliothek regelmäßig, er nahm an einer Institutsführung teil, hörte Vorträge und besuchte Frageabende. Dabei lernte er Arthur Röser, Karl Giese (1898–1938) und Felix Abraham persönlich kennen, und insbesondere Abraham zählte er später zu seinen Freunden.
Zurück in Schweden konnte Eric Thorsell das neu erworbene Wissen um Homosexualität in Artikeln und Vorträgen nur bedingt verwenden. Seinen bemerkenswertesten Einsatz als Vortragsredner und Verfasser von Artikeln leistete er erst nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Entkriminalisierung männlicher Homosexualität in Schweden 1944. Er war Kontaktmann des niederländischen Shakespeare-Club, aus dem sich das COC (Cultuur- en Ontspanningscentrum, dt. „Kultur- und Freizeitzentrum“) entwickelte, und des dänischen Forbundet af 1948 (dt. „Verband von 1948“), der ersten Schwulen- und Lesbenorganisation Skandinaviens mit gesamt-nordischem Anspruch. Später engagierte er sich auch im schwedischen RFSL (Riksförbundet för Sexuellt Likaberättigande, dt. „Nationaler Verband für sexuelle Gleichberechtigung“), nachdem dieser sich 1952 von der dänischen Mutterorganisation losgerissen hatte.
Als Schweden Anfang der 1950er Jahre von einer Reihe von „Homosex-Skandalen“ erschüttert wurde, in die neben hochrangigen Politikern auch König Gustav V. persönlich verwickelt war, schaltete sich Thorsell mit Artikeln und Vorträgen in die Diskussion ein und forderte unter anderem eine Professur für Sexologie nach dem Vorbild von Magnus Hirschfeld und dessen Institut von vor 1933. Die Forderung selbst verhallte ohne Nachwirkungen, wobei Thorsell gleichwohl als „Homophilprophet“ öffentlich verspottet und angegriffen wurde.
1981, wenige Monate nach Eric Thorsells Tod am 7. September 1980 in Surahammar, legte der schwedische Schwulenaktivist Fredrik Silverstolpe (1947–2001) die Memoiren Thorsells in Buchform vor. In einem Zeitungsinterview hatte Thorsell noch kurz vor seinem Tod über das eigene Engagement als „homophiler“ Aktivist gesagt: „Es war nicht so sehr eine Frage des Mutes. Ich habe mich vor allem über diese ganze Heuchelei geärgert, das war alles. Außerdem: Mit einem, der in der Gesellschaftsordnung auf der untersten Stufe steht, geben sie sich nicht ab, den kann man nicht noch weiter nach unten stoßen.“ Diese Worte sind auch auf seinem Grabstein auf dem Friedhof in Surahammar eingraviert.
Weiterführende Literatur
Handelsman Nielsen, Mika (2023): „Han var en solklar del av vår familj, som pappa åt Manfred och vår opa“. En intervju med Gisela Badenius och Sabine Dahlstedt, auf: Queers mot kapitalism.
Handelsman Nielsen, Mika (2024): „Eriks röst får inte försvinna“. Om en superhjälte i svartvitt som får färg, auf: Queers mot kapitalism.
Silverstolpe, Fredrik (1981): En homosexuell arbetares memoarer. Järnbruksarbetaren Eric Thorsell berättar. Stockholm: Förlaget Barrikaden.
Söderström, Göran. Red. (1999): Sympatiens hemlighetsfulla makt. Stockholms homosexuella 1860–1960. Stockholm: Stockholmia Förlag.
Thorsell, Eric (1985): Memoiren eines schwedischen Arbeiters, in: rosa flieder Nr. 40, S. 16-21; Nr. 41, S. 32-34.
Wolfert, Raimund (2000): Eric Thorsell: ein schwedischer Arbeiter am Institut für Sexualwissenschaft, in: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 31-32, S. 11-26.
Wolfert, Raimund (2000): Svensk-tyske møter: Jernverksarbeideren Eric Thorsell ved Magnus Hirschfelds institutt for seksualvitenskap og hans forbindelser til Berlin, in: lambda nordica (Jg. 6), Nr. 4, S. 37-53.
Wolfert, Raimund (2015): Networking mit Hilfe des Eigenen? In: Invertito – Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten (Jg. 17), S. 100-113.