Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Heinrich Stabel, Dr. med., Arzt

geb. 19.2.1867 (Bad Kreuznach) gest. 6.12.1943 (Berlin)

Zur Biografie

Heinrich Karl Theodor Stabel wurde als Sohn des Bad Kreuznacher Sanitätsrats Eduard Stabel und dessen Frau Elise geb. Ackermann geboren. Er studierte Medizin an den Universitäten in München und Kiel und legte seine Dissertation 1892 vor. Noch im selben Jahr zog er nach Berlin, wo er zunächst als Assistenzarzt tätig wurde. 1900 ließ sich Stabel als Facharzt für Chirurgie und Frauenleiden nieder und gründete eine eigene Praxis am Schöneberger Ufer (Berlin-Tiergarten).

Heinrich Stabel war zwei Mal verheiratet, zuletzt mit Doris geb. Bahr (1881−1943). Er gehörte dem dem Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK), dem Bund für Mutterschutz (BfM) Helene Stöckers (1869−1943) und dem Kartell für Reform des Sexual-Strafrechts an und setzte sich bereits in den 1910er Jahren für die Abschaffung der §§ 175 und 218 RStGB ein.

Wann genau und auf welchem Weg Heinrich Stabel in Kontakt mit Magnus Hirschfeld und dem WhK trat, ist nicht belegt. Vermutlich lernte er die Organisation über Veranstaltungen des BfM kennen, an denen er in den 1910er Jahren teilnahm. Stabel führte künstliche Befruchtungen bei Frauen mit Kinderwunsch und Hodentransplantationen an Männern durch, sofern diese das Bedürfnis hatten, von ihrer Homosexualität „befreit” zu werden. Im Zuge von geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei sogenannten „männlichen Transvestiten”, die als Frau leben wollten, nahm er auch Amputationen der Hoden vor – so etwa bei Dorchen Richter (1891–?). Zudem unterzeichnete er die Petition des WhK zur Streichung des § 175 RStGB.

1931 löste Heinrich Stabel Otto Juliusburger (1867–1952) als Ersten Vorsitzenden des WhK ab, nachdem dieser zwei Jahre zuvor die Nachfolge Magnus Hirschfelds angetreten hatte. Hirschfeld schrieb später von einem „höchst unwürdigen Intrigenspiel”, das 1929 zu seinem Rücktritt und zum Personalwechsel an der Spitze des WhK geführt hatte.

Nach 1933 wurde Heinrich Stabel mehrfach kriminalisiert. Er wurde Ende 1938 unter dem Verdacht gesetzeswidriger Handlungen verhaftet und im Dezember 1939 wegen gewerbsmäßiger Abtreibung in vier Fällen und versuchter gewerbsmäßiger Abtreibung in einem weiteren Fall zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Als er im März 1942 aus der Haft entlassen wurde, konnte er gleichwohl in sein früheres Leben nicht zurückkehren. Seine Praxis war ihm im Zuge der Verurteilung Ende 1939 entzogen worden, so dass das Ehepaar danach nur noch von Erspartem leben konnte.

Heinrich Stabel und seine Frau Doris wohnten seit März 1939 am Lützowplatz 27 (Tiergarten). Ihre Wohnung wurde beim Fliegerangriff auf Berlin vom 22. November 1942 vollkommen zerstört. Die Eheleute kamen daraufhin bei einer Schwester Doris Stabels unter, schieden aus Verzweiflung aber schon wenige Wochen später durch Selbstmord aus dem Leben.

Weiterführende Literatur

Wolfert, Raimund (2020): Heinrich Stabel (1867−1943), Frauenarzt und Chirurg – eine biographische Skizze, in: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 64, S. 9-17.