Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Emilio Servadio, Prof. Dr., Psychoanalytiker

geb. 14.8.1904 (Genua, Italien) gest. 18.1.1995 (Rom, Italien)

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Emilio Servadio, o.J.
Emilio Servadio wurde am 14. August 1904 in Sestri Ponente, einem Stadtteil von Genua, geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie und zeigte schon früh eine Leidenschaft für die Musik, das Theater und die Kunst im Allgemeinen. Servadio absolvierte ein klassisches Studium und beherrschte mit Englisch, Französisch und Deutsch drei Fremdsprachen fließend.

In den 1920er Jahren interessierte er sich vornehmlich für die Lyrik der Avantgarde und legte auch selbst einen ersten Gedichtband vor. Nachdem er nach Rom gezogen war, wurde er als Redakteur der Enciclopedia Italiana Treccani und das Dizionario Enciclopedico Italiano tätig. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Psychoanalyse und trat bald in Kontakt mit Edoardo Hebel-Weiss (1889–1970), dem ersten Psychoanalytiker Italiens, dessen Schüler er wurde. Im Zuge dessen beteiligte sich Servadio 1932 an der Gründung der Italienischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SPI). In den Folgejahren befasste er sich auch mit paranormalen Phänomenen und hielt 1934 im Schweizerischen Luzern einen Vortrag über Psychoanalyse und Telepathie in deutscher Sprache.

Nach der Bekanntgabe der faschistischen Rassengesetze in seinem Heimatland verließ Emilio Servadio 1938 Italien und ließ sich in Bombay (Indien) nieder. Auch hier wurde er von den Folgen des Zweiten Weltkriegs nicht verschont. Obwohl er ein Flüchtling war, wurde er zusammen mit anderen in Indien lebenden Italienern drei Jahre lang in einem britischen Lager interniert. Erst 1946 kehrt er nach Italien zurück.

Die 1950er Jahre waren für Emilio Servadio die fruchtbarste Zeit im Dienst der Psychoanalyse. Er arbeitete mit der Zeitung Il Tempo in Rom zusammen und wurde Berater für die staatliche Rundfunkanstalt Italiens RAI, die mehrere wissenschaftliche Programme über die Psychoanalyse produzierte. Auf dem Pariser Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE) wollte Emilio Servadio einen Vortrag unter dem Titel „Moral und Pseudo-Moral“ halten. Da er aber kurzfristig verhindert war, wurde sein Redemanuskript „in absentia“ von „Floris van Mechelen“, dem ICSE-Präsidenten, verlesen.

Noch später wurde Emilio Servadio als wissenschaftlicher Berater für die Filme Im Labyrinth der Sexualität (Nel Labirinto Del Sesso, 1969) von Alfonso Brescia und als Darsteller in Vittorio De Sistis Skandalproduktion Sex im Beichtstuhl (Sesso in confessionale, 1974) tätig. Er starb am 18. Januar 1995 in Rom und wurde auf dem nicht-katholischen Friedhof der Stadt, dem Cimitero degli Inglesi, beigesetzt.

Weiterführende Literatur

[Anonym] (1955): Program of the Fourth International Congress for Sexual Equality, in: Periodical Newsletter. Nr. 7 (Oktober 1955), S. 1-3, online hier.

Mariani, Rachele (2013): Servadio Emilio [biografischer Eintrag mit umfassender Bibliografie], auf: Società Psicoanalitica Italiana, zuletzt eingesehen am 5.7.2025.

Olzi, Michele [2019]: A Cure for the Soul. Mesmerism, Psychical Research, and Psychoanalysis in the Life and Work of Emilio Servadio (1904–1995). PHD Thesis. Varese e Como: Università degli Studi dell’Insubria, online hier (279 S.).

Servadio, Emilio (1932). Christa Winsloe Gestern und Heute, in: Rivista Italiana Di Psicoanalisi, (Jg. 1) Nr. 5, S. 415.

Servadio, Emilio (1959): Parapsychologie und „Ungläubigkeitsreaktion“, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, (Jg. 2), S. 1-9.