Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Dorothea Selig, Dr. med., Gynäkologin, Kinderärztin

geb. 29.11.1891 (Worms) gest. 28.10.1969 (Wien, Österreich)

Zur Biografie

Dorothea Selig wurde am 29. November 1891 als jüngste Tochter des jüdischen Arztes und Sanitätsrats Dr. med. Gustav Selig (1854–1919) und dessen Frau Bertha geb. Strauß (1864–1943) in Worms geboren. Ihr Geburtsname war Dora. Sie hatte vier ältere Geschwister, von denen eine Schwester, Paula Selig (1883–1962), ebenfalls Ärztin wurde.

Dorothea Selig besuchte das Großherzoglich Hessische Ernst-Ludwigs-Gymnasium in ihrer Geburtsstadt, das sie 1911 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Anschließend studierte sie Medizin in München, Berlin und Heidelberg, wo sie am 4. Juni 1916 das medizinische Staatsexamen bestand. Sie promovierte im Jahr darauf. Ihre medizinische Dissertation legte sie unter dem Titel „Ein Fall von Retinitis exsudativa mit Netzhautablösung, Cholestearinbildung und Verknöcherung der Aderhaut“ vor.

Dorothea Selig praktizierte als Gynäkologin und Kinderärztin und war um 1919 zeitweilig Mitarbeiterin am Institut für Sexualwissenschaft Magnus Hirschfelds in Berlin. In den 1920er und frühen 1930er Jahren betrieb sie eine Praxis in der Berliner Straße 144 in Charlottenburg. Ihre Wohnung hatte sie bis etwa 1937 am Kurfürstendamm 20.

Dorothea Selig galt nach dem Gesetz vom 7. April 1933 als Jüdin, weshalb ihr im selben Jahr die Kassenzulassung entzogen wurde. Über ihr weiteres Schicksal ist nur wenig bekannt. Offenbar hat Dorothea Selig nach 1933 geheiratet. Zusammen mit ihrem Mann Raoul Gustav von Toms (1896–1978), der gebürtig aus Österreich stammte und Polizeioffizier war, gelang es ihr, vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Shanghai (China) zu entkommen. Dort lebte das Ehepaar von Toms noch 1947. Dorothea von Toms wurde in China offenbar als Krankenschwester tätig, Raoul von Toms hielt im Februar 1941 in „Jungmann’s Caféstube“ in der Shanghaier Seward Road einen öffentlichen Vortrag zu Nachbarfragen der Medizin. Er wurde ebenfalls Mitarbeiter der 1939 ins Leben gerufenen und von der amerikanischen Rundfunkstation XMHA ausgestrahlten deutschsprachigen Radiosendung für „jüdische” Flüchtlinge in China. In dieser Eigenschaft kommentierte er regelmäßig das Weltgeschehen vor dem Mikrofon.

1949 zog Dorothea von Toms zusammen mit ihrem Mann vorübergehend zu ihrer Schwester Paula nach Brasilien, von dort aus ging das Ehepaar nach Österreich. Dorothea von Toms starb am 28. Oktober 1969 in Wien-Penzing und wurde am 4. November 1969 auf dem Wiener Friedhof Ober-Sankt-Veit beigesetzt.

Schriften (Auswahl)

Selig, Dorothea (1917): Ein Fall von Retinitis exsudativa mit Netzhautablösung, Cholestearinbildung und Verknöcherung der Aderhaut. Heidelberg, med. Diss.

Toms, Dorothea von (1940): Der neuen Zeitschrift zum Geleite, in: Medizinische Monatshefte Shanghai (Jg. 1), Nr. 1, S. 5.

Weiterführende Literatur und Quellen

Eintrag zu Dorothea Selig in der Dokumentation „Ärztinnen im Kaiserreich“, Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, online zugänglich hier.

Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid. Das Institut für Sexualwissenschaft 1919–1933. Berlin: Suhrkamp, S. 83.

Schmitt-Englert, Barbara (2021): Deutsche in China 1920–1950. Alltagsleben und Veränderungen (Ludwigshafener Schriften zu China, 1). Gossenberg: Ostasien-Verlag, S. 323.

Shanghai Telephone Directory, 1947 online zugänglich hier.

Sterbefallanzeige Bertha Selig, in: Der Aufbau, 16.4.1943, S. 19, online zugänglich hier.

Veranstaltungshinweis zu einem Vortrag von Raoul von Toms, in: Medizinische Monatshefte Shanghai 1942 (Jg. 2), Nr. 1, S. 5, online zugänglich hier.