Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Sappho, Dichterin

geb. um 612 v. u. Z. (Lesbos, Griechenland) gest. um 570 v. u. Z. (Lesbos, Griechenland)

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Sappho auf einem historischen Fresco aus dem italienischen Pompei. Unbekannter Fotograf.
Über das Leben der wohl berühmtesten Dichterin des Antike ist heute nur wenig bekannt. Sappho wurde um 612 vor unserer Zeitrechnung auf der griechischen Insel Lesbos geboren und entstammte einem alten Adelsgeschlecht aus der Hafenstadt Mytilini, aus der sie zwischenzeitlich verbannt wurde. Nachdem sie um 591 vor unserer Zeitrechnung nach Lesbos zurückgekehrt war, scharte sie einen Kreis von jungen Frauen vornehmer Herkunft um sich, die möglicherweise ihre Freundinnen und/oder ihre Schülerinnen waren. Sappho unterrichtete diese jungen Frauen in Poesie, Musik, Gesang und Tanz.

Es heißt, Sappho habe eine Tochter namens Kleis gehabt. Möglicherweise handelte es sich aber auch um eine Geliebte. Die Zeilen in einem Ich-Gedicht Sapphos lassen sich unterschiedlich deuten: „Hab ein schönes Kind, / goldenen Blumen wohl vergleichbar / ist sein feiner Wuchs: / Kleis heißt sie, mein Alles …“

Sappho gilt als geniale Dichterin, deren Werk früheren Autoren weit bekannter war als uns heute. Überliefert sind von ihren Gedichten, in denen die erotische Liebe stets eine hervorragende Rolle spielte, heute nur noch Fragmente. Moderne Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa sieben Prozent ihres Werkes erhalten geblieben sind.

Für Magnus Hirschfeld waren die Gedichte Sapphos vor allem ein Beispiel dafür, dass die Liebe der Frau zur Frau ebenso „dämonisch, stürmisch und aufopferungsfähig” sein könne wie die Liebe zwischen den Geschlechtern. Daraus leitete er aber nicht etwa ein Recht von Frauen ab, untereinander heiraten zu dürfen. Noch 1896 stellte Hirschfeld die Ehe zwischen lesbischen Frauen und (heterosexuellen) Männern nicht in Frage, ja, im Bemühen um Harmonisierung verklärte er sie sogar als in der Regel „glücklich”. Ein besonderes Sensorium für die Bedürfnisse nach weiblicher Selbstbestimmtheit und Selbstentfaltung, innereheliche Konflikte und die im Grunde erniedrigende „Verfügbarmachung” von Frauen und ihrer Arbeitskraft kann ihm dabei nicht attestiert werden.

Magnus Hirschfeld schrieb 1896 in Sappho und Sokrates oder Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts?: „Die homosexuellen Frauen – und ihre Zahl ist Legion – führen fast stets eine glückliche Ehe, die freilich im Grunde nur eine ruhige leidenschaftslose Freundschaft ist. Gegen Verführung gefeit, wohl die Unterhaltung, den Geist, doch nie den Leib des Mannes begehrend, erfüllen sie in stiller Hingabe die häuslichen Pflichten gar wohl im Sinne dessen, was der Schöpfer sprach, als er aus dem Manne das Weib schuf: ‚Eine Gefährtin will ich ihm machen, die um ihn sei’.

In unserer modernen Frauenbewegung steckt unbewußt ein gutes Teil Hermaphroditismus und Homosexualität. Diese mannhaft mutigen Frauen, mit den schönen durchgeistigten Zügen, die man mit Vorliebe interessant zu nennen pflegt, diese Rednerinnen und Schriftstellerinnen, diese gelehrten und philosophierenden Damen mit dem ernsten Auge und der einfachen Kleidung, welche die Ehe oft nur der Tradition willen mögen, wie ringen sie so unermüdlich eifrig für die Rechte der Frau, wie lieben sie ihr zurückgesetztes Geschlecht, dessen Fähigkeiten verallgemeinernd gering zu achten, wie es heute so oft geschieht, eine erstaunliche Unkenntnis verrät.“

In Magnus Hirschfelds Die Homosexualität des Mannes und des Weibes (1914) finden sich zwei lange alphabetische Namenslisten berühmter Homosexueller der Weltgeschichte. Auf der ersten Liste zur griechischen und römischen Antike steht überhaupt kein Name einer Frau, nicht einmal der Sapphos. Die zweite Liste führt „weitere Persönlichkeiten“ auf, doch auch unter ihnen sind nur wenige Frauen, ein Umstand, der Hirschfeld zum Nachdenken über die möglichen Ursachen für die Ungleichheit veranlasste. Hirschfelds Erklärung: Angesichts der von der Gesellschaft vorgegebenen, eingeschränkteren Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen als für Männer stehe im Gesamtresultat das „Männlichkeitsplus” von Frauen dem „Weiblichkeitsplus” von Männern in Hinblick auf die „produktive Gestaltungskraft” nach.

Weiterführende Literatur

Dubois, Page (1995): Sappho is Burning. Chicago; London: Chicago University Press.

Giebel, Marion (1980): Sappho in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (rororo monographie, 291). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Herzer, Manfred (2017): Magnus Hirschfeld und seine Zeit. Berlin/Boston: De Gruyter, S. 239-240.

Hirschfeld, Magnus (1914): Die Homosexualität des Mannes und des Weibes (Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen, 3). Berlin: Louis Marcus.

Pusch, Luise F. (o.J.): Sappho, auf Fembio. Frauen.Biographieforschung.

Ramien, Th. [d. i. Hirschfeld, Magnus] (1896): Sappho und Sokrates oder Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts? Leipzig: Max Spohr, S. 26-27 Online hier.

Scheck, Denis (2018): Sappho hat 2600 Jahre Erfahrung in Sachen Erotik, in: Die Welt, 17.5.2018 Online hier.

Stark, Florian (2014): Neue Funde zur Dichterin der lesbischen Liebe, in: Die Welt, 1.2.2014 Online hier.