Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Nikodemus Neumann, Dr. jur., Straf- und Völkerrechtler aus Hamburg

Zur Biografie

Bis heute hat sich nicht ermitteln lassen, wer sich hinter dem Namen „Nikodemus Neumann“ verbarg. Vermutlich handelte es sich um ein Pseudonym, das durch das Kürzel „N. N.“ (Nomen nominandum) motiviert war, das sich aus seinen Initialen ergibt.

„Nikodemus Neumann“ hat in den 1950er Jahren mehrere Beiträge für die Hamburger „Homophilenzeitschrift“ Humanitas geschrieben, und bei der Gelegenheit wurde er als „bekannter Straf- und Völkerrechtler“ bezeichnet. 1958 trat „Neumann“ auf dem Brüsseler Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE) als Vertreter des Hamburger Griffin-Verbandes auf. Dieser wurde von Dr. Albrecht D. Dieckhoff (1896–1965) gegründet, und es liegt nahe anzunehmen, dass „Nicodemus Neumann“ eben identisch mit Dieckhoff war oder zumindest aus dessen direktem Umfeld stammte. Wie Dieckhoff benutzte „Neumann“ den Titel „Dr. jur.“

Über den Griffin-Verband, der sich für die Straffreiheit einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen einsetzte, ist heute nur wenig bekannt. Vorsitzender war der Hamburger Gastwirt Fritz Schwenke, dessen Lebensdaten auch noch nicht ermittelt sind, und als Sekretär fungierte „L. Ahrens“ mit der Anschrift „Dorotheenstraße 123, Hamburg 39“. 1958 beantragte „Nikodemus Neumann“ für den Griffin-Verband die Aufnahme in das ICSE, doch wurde der Antrag vorerst abgelehnt, da über die Gruppierung seinerzeit kaum etwas bekannt war und man erst sehen wollte, wie sie arbeitete.

Eine Person namens „L. Ahrens“ unter der Anschrift „Dorotheenstraße 123“ in Hamburg lässt sich über die städtischen Adressbücher von 1958 nicht nachweisen. Fritz Schwenke war ab 1962 wieder Besitzer und Betreiber des Hamburger „Homosexuellenlokals“ Stadtcasino am Großneumarkt, das er 1949 selbst gegründet hatte.

Schriften (Auswahl)

Neumann, Nikodemus (1954): Menschenrechtskonvention und erotische Freiheit, in: Humanitas (Jg. 2), Nr. 3, S. 71-73.

Neumann, Nikodemus (1954): Ehe und Personenstandsgesetz, in: Humanitas (Jg. 2), Nr. 4, S. 119-120.

Neumann, Nikodemus (1954): Die Laster und der Staat, in: Humanitas (Jg. 2), Nr. 5, S. 162-163.

Neumann, Nikodemus (1955): Bereich und Grenzen humanitärer Ziele, in: Humanitas (Jg. 3), Nr. 2, S. 418-419.

Neumann, Nikodemus (1957): § 175 StGB weiterhin umstritten. Warnung vor Überbewertung des Karlsruher Entscheids, in: Der Weg (Jg. 7), Nr. 8, S. 229-230.

Weiterführende LIteratur

Anonym [d.i. vermutlich Mack, Dermot] (1958): Den internasjonale kongress [Norwegisch], S. 4, online hier.

Anonym (1960): Mein ist die Rache, spricht der Herr, in: Der Weg (Jg. 10), Nr. 6, S. 141-142.

Anzeige des Hamburger Stadtcasino (1962), in: Der Kreis (Jg. 30), Nr. 1, [S. 37] und weitere.

Lorenz, Gottfried (2010): Hamburg als Homosexuellenhauptstadt der 1950er Jahre. Die Homophilen-Szene und ihre Unterstützer für die Abschaffung des § 175 StGB, in: Pretzel, Andreas und Volker Weiß (Hrsg.): Ohnmacht und Aufbegehren. Homosexuelle Männer in der frühen Bundesrepublik (Geschichte der Homosexuellen in Deutschland nach 1945, 1). Hamburg: Männerschwarm Verlag, S. 117-151, hier S. 140.

Prien, Wolf (1965): Ein ehrenvolles Andenken [über Albrecht D. Dieckhoff], in: Der Weg (Jg. 15), Nr. 8, S. 192.