Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Ella Mensch, Dr. phil., Schriftstellerin

geb. 5.3.1859 (Lübben) gest. 5.5.1935 (Berlin)

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Quelle: AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel, Sign.: A-F1-00050.
Ella Mensch wurde am 5. März 1859 als Tochter eines Oberlehrers und dessen Frau in Lübben im Spreewald geboren. Nachdem der Vater Rektor einer höheren Knaben- und Mädchenschule in Gollnow (heute Goleniów, Polen) bei Stettin geworden war, ging auch Ella Mensch dort zur Schule. Nach dem Besuch des Lehrerinnenseminars für höhere und mittlere Schulen in Berlin schrieb sie sich als Studentin an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich ein. Dies war eine der wenigen Universitäten im deutschsprachigen Raum, die damals schon Frauen zugänglich war. Als vermutlich erste Frau weltweit studierte Ella Mensch Deutsche Sprache und Literatur, und im Zuge ihrer Dissertation wurde sie zu einer der frühesten Doktorandinnen Europas.

Als Ella Mensch 1884 nach Deutschland zurückkehrte, begann sie für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften wie das Darmstädter Tagblatt zu schreiben, vornehmlich über Oper und Theater. Sie arbeitete zunächst mehrere Jahre als Lehrerin an höheren Mädchenschulen in Hessen, außerdem gab sie Rezitationsabende und hielt literarische Vorträge. 1904 zog sie nach Berlin und wurde in der Nachfolge von Helene Stöcker Redakteurin der Frauen-Rundschau.

Innerhalb der deutschsprachigen Frauenbewegung stand Ella Mensch den „Gemäßigten“ nahe. Sie sprach sich gegen die Abwertung eines ehelosen und sexuell enthaltsamen Lebensstils aus und betonte stets die Lebensleistungen der berufstätigen, nicht verheirateten Frau. In ihren Schriften nahm sie mehrfach homophobe Positionen ein und wies Verbindungen zwischen der Frauenbewegung und Homosexualität zurück. Dabei griff sie unter anderem wiederholt Anna Rüling alias Theo Anna Sprüngli an, der sie unterstellte, es gehe ihr und ihrer „Klique“ um „sensationslüsterne Neigungen“. Die Frauenbewegung müsse sich gegen Bestrebungen wehren, die „das Triebleben an die Stelle des geistigen Wachstums“ rücken wollten.

Dies hinderte Ella Mensch jedoch nicht daran, über eine Versammlung der Freunde des Bundes für Mutterschutz, in der es um die damals diskutierte Ausdehnung des § 175 RStGB auf Frauen ging, 1911 ausgesprochen wohlwollend zu referieren. Über Magnus Hirschfeld, der zu den Rednern der Veranstaltung gehörte, schrieb Mensch: „In den Darlegungen Dr. Hirschfelds kam der Arzt, der Naturforscher und vor allem der warme Menschenfreund, der ja nicht auf Grund einer grauen Theorie, sondern aus umfangreicher ärztlicher Praxis heraus seine Diagnosen stellt, zum überzeugenden Ausdruck, und wir pflichten ihm darin bei, daß angesichts der Dummheit, Bosheit und Beschränktheit, die sich noch immer in der Behandlung dieser Fragen kundgibt, der ‚Bund für Mutterschutz’ durch die Einberufung dieser Versammlung lobenswerten Mut bewiesen habe.“

Ella Mensch starb am 5. Mai 1935 im Alter von 76 Jahren in Berlin.

Schriften (Auswahl)

Mensch, Ella (1902): Der Geopferte. Liebesroman eines modernen Mannes. Leipzig: Seemann.

Mensch, Ella (1903): Auf Vorposten. Roman aus meiner Züricher Studentenzeit (Moderne Frauenbibliothek, 19). Leipzig: Verlag der Frauen-Rundschau.

Mensch, Ella (1904): Grober Unfug. In: Frauen-Rundschau (Jg. 5), Nr. 45, S. 1389-1390.

Mensch, Ella (1906): Bilderstürmer in der Berliner Frauenbewegung (Großstadt-Dokumente, 26). Berlin: Seemann.

Mensch, Ella (1907): Eine Frau über § 175, in: Die Große Glocke, 21.11.1907.

Mensch, Ella (1911): Aus der Frauenbewegung. Eine Initiative des Bundes für Mutterschutz, in: Frauen-Rundschau (Jg. 12), Nr. 5.

Mensch, Ella (1996): Das „dritte Geschlecht”, in: Ariadne. Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung, Nr. 29, S. 29 [Wiederabdruck].

Weiterführende Literatur

Budke, Petra und Jutta Schulze (1995): Schriftstellerinnen in Berlin 1871–1945. Ein Lexikon zu Leben und Werk. Berlin: Orlanda-Frauenverlag.

Heinrich, Elisa (2022): Intim und respektabel. Homosexualität und Freundinnenschaft in der deutschen Frauenbewegung um 1900. Göttingen: V&R unipress, hier vor allem S. 205-207.