Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Friedrich Wilhelm Lippmann, Kunsthändler

geb. 13.11.1883 (Berlin) gest. 14.1.1932 (Berlin)

Zur Biografie

Friedrich Wilhelm Lippmann war der einzige Sohn des österreichisch-deutschen Kunsthistorikers Friedrich Lippmann (1838–1903), der 1876 zum Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts berufen worden war. Er besuchte eine adelige Klosterschule und das Joachim Thielsche Gymnasium in Berlin und begann auf Wunsch des Vaters zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Nach einem einjährigen Aufenthalt in den USA ließ er sich 1907 als Kunsthändler in London nieder, wo er zu großem Wohlstand kam. Allerdings wurde sein Vermögen bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs von den Engländern beschlagnahmt, und Lippmann kehrte in seine Heimatstadt Berlin zurück. Hier wurde er 1923 zum Mitglied des Obmännerkollegiums des WhK gewählt. Lippmann blieb bis zu seinem Tod unverheiratet.

Ende der 1920er Jahre gelangte Friedrich Wilhelm Lippmann überregional zu unrühmlicher Bekanntheit, nachdem sich seine finanzielle Lage im Zuge einer ernsthaften Erkrankung und wohl auch von Spielschulden erheblich verschlechtert hatte und er durch den Kontakt mit vorbestraften Kollegen und Freunden auf die „schiefe Bahn“ geriet. Anfang 1928 wurden aus einer Kapelle im bayrischen Schloss Cadolzburg bei Fürth zwei hölzerne Altarflügel gestohlen, auf denen sich Heiligendarstellungen befanden und die um 1500 entstanden sein dürften. Als einer der „Drahtzieher“ hinter der Aktion wurde Lippmann inhaftiert.

Vor dem Schöffengericht Fürth hatten sich für die Tat schließlich sechs Männer zu verantworten. Friedrich Wilhelm Lippmann, der sich zunächst von Dr. Frey, dann von einem gewissen Dr. Haber verteidigen ließ, legte ein umfangreiches Geständnis ab. Er bereute die Tat aufs Tiefste und bezeichnete sie als „Blödsinn“, die ihm nunmehr ganz und gar unverständlich sei. Geltend machte er dabei für sein Verhalten ein „sklavisches Hörigkeitsverhältnis“ zu dem Mitangeklagten August Mayer, das „nicht ganz unsexuell“ gewesen sei. Er selbst sei aber nie wegen „Vergehen” nach § 175 RStGB erpresst worden.

Alle sechs angeklagten Männer wurden Anfang 1929 zu Gefängnis- bzw. Zuchthausstrafen verurteilt. Lippmann erhielt eine Strafe von zehn Monaten, Mayer, der auch als „Vater des Diebstahlsgedankens“ bezeichnet wurde, von einem Jahr und vier Monaten Gefängnis. Für Lippmann galt das Urteil durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt.

Gleichwohl dürfte er fortan gesellschaftlich ruiniert gewesen sein. In der Presse wurde er wegen seiner „ererbten unglücklichen Anlagen“ und seines „Hörigkeitsverhältnisses zu Mayer“ als Psychopath bezeichnet. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Friedrich Wilhelm Lippmann vermutlich unter eher prekären Verhältnissen. Laut Sterbeurkunde befand sich seine letzte Bleibe in der Bayreuther Straße 2 in Charlottenburg. Hier wohnte er möglicherweise zur Untermiete. Im Berliner Adressbuch ist er nicht nachweisbar.

Weiterführende Literatur

Die Bilder und ihr „Liebhaber“. Der tragische Fall Lippmann, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung vom 5.3.1928 (Abendausgabe), S. 6.

Der Beginn des Bilderraubprozesses auf der Kadolzburg. Die Vernehmung des angeklagten Kunsthändlers Lippmann, in: Berliner Börsen-Zeitung vom 8.1.1929 (Nr. 12), S. 4.

Die Strafen für die Bilderdiebe, in: Deutsche allgemeine Zeitung (DAZ) vom 12.1.1929 (Ausgabe Groß-Berlin, Sonnabend Morgen, Jg. 68, Nr. 19), S. 6.