Erika Kwasnik, Fremdsprachenkorrespondentin
Zur Biografie
Schon die Großmutter Erika Kwasniks väterlicherseits, Agnes Kwasnik, hatte in Beziehung mit Magnus Hirschfeld gestanden. Sie war früh Witwe geworden und verdiente sich ihr Geld als Teppichstopferin in den größeren herrschaftlichen Häusern im Berliner Westen. Erika Kwasnik selbst wurde schon 1912 in das „Hirschfeldsche Haus” eingeführt, als sie nur wenige Wochen alt war. Ihre Mutter wollte ihr Kind stolz vorführen. In ihrer Kindheit kam Erika Kwasnik dann regelmäßig mit Magnus Hirschfeld zusammen.
Erika Kwasnik schrieb später: „Ich habe Hirschfelds Heim in Erinnerung als etwas Kostbares, etwas Warmes, wo man hübsche Dinge fand, wo es, kurz gesagt, eine schöne Atmosphäre gab.“ Seit etwa 1917 hob sie zum Beleg eine Fotografie auf, die Magnus Hirschfeld mit vielen Freund*innen und Hausangestellten sowie deren Angehörigen vor einem Weihnachtsbaum zeigt. Zu sehen sind auf dem Foto neben Hirschfeld fast nur Frauen und Kinder, weil die meisten Männer „Kriegsdienst“ leisten mussten. Erika Kwasnik schenkte das Bild der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Sie selbst steht auf diesem Bild links neben Hirschfeld als das Kleinste der Kinder.
Erika Kwasnik erinnerte sich, dass sie Magnus Hirschfeld stets mit „Onkel Hirschfeld“ anredete, und sie bescheinigte ihm noch Jahrzehnte später große Freundlichkeit und ein großes Einfühlungsvermögen: „Er war ein strahlender Mensch, sein frohes Lachen klang durch die Wohnung, besonders, wenn man eine schnelle Antwort fand.“
Wohl das letzte Mal traf Erika Kwasnik Magnus Hirschfeld im Alter von etwa 16 Jahren. Das war am 11. August 1928, dem deutschen „Verfassungstag“, in der Berliner Krolloper. Wenige Monate zuvor war Magnus Hirschfeld als Sachverständiger in dem „Steglitzer Schülermordprozess“ aufgetreten, der den Prozess auslösende Vorfall hatte in ganz Deutschland und auch in der internationalen Presse großes öffentliches Aufsehen erregt und zu heftigen Debatten über den angeblichen sittlichen Verfall der Jugend in der Weimarer Republik geführt. Unter den Schulkameraden Erika Kwasniks nahm um diese Zeit die antisemitische Hetze gegen Hirschfeld zu. Erika Kwasnik erinnerte sich: „Einige Mädchen in meiner Klasse, die zu den faulsten gehörten, waren die lautesten, sie redeten abfällig über Magnus Hirschfeld als ‚der schwule Jude‘. Niemals hätte jemand in unserer Familie ihn als homosexuell gekennzeichnet […]. Ich wurde wütend, kam in Streit mit diesen Mädchen. Die Kameraden, die zu mir hielten, versuchten, mich zur Vernunft zu bringen. Ich duldete kein abwertendes Wort über Magnus Hirschfeld.“
Erika Kwasnik zog später nach Dänemark, wo sie 1985 noch lebte. Belegt ist, dass sie zwischen 1953 und 1969 als Fremdsprachenkorrespondentin im Kopenhagener Tuborgvej 249 wohnte. Da war sie nach wie vor unverheiratet. Erika Kwasniks genaues Sterbedatum und ihr Sterbeort haben sich noch nicht ermitteln lassen. Ebenso ist immer noch wenig über Erika Kwasniks Familienhintergrund bekannt. Ihr Vater war offenbar der Gewerkschaftsfunktionär Walter Kwasnik, der ab etwa 1924 Schriftleiter des Deutschen Landarbeiter-Verbandes (LVB) war.
Weiterführende Literatur
Hertoft, Preben und Teit Ritzau (1984): Paradiset er ikke til salg. Trangen til at være begge køn. Kopenhagen: Lindhardt og Ringhof.
Kwasnik, Erika (1985): Bei „Onkel Hirschfeld”. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 5, S. 29-32.
Kwasnik, Walter (1931): Deutscher Landarbeiter-Verband, in: Heyde, Ludwig (Hrsg.): Internationales Handwörterbuch des Gewerkschaftswesens. Berlin: Verlag Werk und Wirtschaft, S. 372-373.