Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Maria Krische, Lehrerin, Sexualreformerin

geb. 17.4.1880 (Köln) gest. 3.7.1945 (Neustrelitz)

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Maria Krische zusammen mit Magnus Hirschfeld und Li Shiu Tong (Tao Li), 1934 in St. Cyr bei Versailles.
Maria Krische wurde am 17. April 1880 als einziges Kind eines Postassistenten und dessen Frau in Köln geboren. Ihr Geburtsname war Maria Reineke. Da der Vater früh verstarb, musste die Mutter eine Erwerbstätigkeit als Näherin aufnehmen, um sich und ihre Tochter zu ernähren. Maria Reineke verbrachte in der Folge einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend bei Familienangehörigen in Göttingen und im Harz.

Maria Reineke besuchte ab 1897 die Lehrerinnen-Bildungsanstalt in Köln, um sich zur Volkschullehrerin ausbilden zu lassen. Lehrerin war indes nie ihr Traumberuf gewesen. Nach dem Examen unterrichtete sie ab 1900 an einer Privattöchterschule in Driesen (heute Drezdenko, Polen) in der Neumark.

1904 ging Maria Reineke mit dem Göttinger Soziologen und Naturwissenschaftler Paul Krische (1878–1956) die Ehe ein. Sie wurde Mutter zweier Söhne. In einer außerehelichen Verbindung wurde Paul Krische später Vater eines dritten Sohnes.

Nach der Eheschließung zog das Ehepaar Krische zunächst nach Köslin (heute Koszalin, Polen) in Pommern, ließ sich jedoch 1906 in Berlin nieder, wo Paul Krische als Bibliothekar tätig wurde. Maria Krische hatte als junge Mutter zunächst ihre Berufstätigkeit unterbrochen und kehrte erst 1914 in ihren Beruf als Lehrerin zurück.

Maria Krische engagierte sich in der Freireligiösen Gemeinde und stellte 1917 beim preußischen Schulministerium einen Antrag, nach dem für konfessionell ungebundene Kinder nicht der übliche Religionsunterricht, sondern ein überreligiöser Moralunterricht („Lebenskunde“) angeboten werden solle. Ihrem Antrag wurde nach dem Ersten Weltkrieg stattgegeben.

Zur Zeit des Ersten Weltkrieges nahm Maria Krische Kontakte zur Sexualreformbewegung auf, und Magnus Hirschfeld dürfte sie 1915 auf einer Versammlung des Monistenbundes kennengelernt haben. Mit ihm verband sie später eine enge Freundschaft. 1920 wurde Maria Krische Mitglied der Ärztlichen Gesellschaft für Sexualwissenschaft und Eugenik, und zusammen mit ihrem Mann Paul Krische gehörte sie später dem Arbeitsausschuss der Weltliga für Sexualreform (WLSR) an, deren Kopenhagener Kongress sie zusammen mit dem dänischen Sexologen Jonathan Høegh von Leunbach (1884–1955) und dem Ehepaar Walther und Hertha Riese aus Frankfurt am Main vorbereitete. Zusammen mit Magnus Hirschfeld gab Maria Krische 1929/30 ebenfalls die populärwissenschaftliche Monatsschrift Die Aufklärung heraus.

Maria und Paul Krische standen der SPD nah, sie engagierten sich im Bund für Mutterschutz Helene Stöckers und wurden in der Freikörperkulturbewegung aktiv. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 zog sich das Ehepaar aus der Öffentlichkeit zurück und stellte seine politische Tätigkeit weitgehend ein. Ein ursprünglich auf fünf Bände angelegtes Werk von Paul und Maria Krische, Der Schicksalsweg der Frau, kam deshalb über den 1927 erschienenen Band zur Mutterrechtsgesellschaft nicht hinaus. Im Sommer 1934 besuchte das Ehepaar Krische Magnus Hirschfeld in seinem französischen Exil vermutlich ein letztes Mal.

Maria Krische erkrankte um 1944 an Anämie und Ruhr und verstarb am 3. Juli 1945 im Krankenhaus von Neustrelitz. Sie wurde auf dem dortigen Parkfriedhof an der Glambecker Straße (heute Hohenzieritzer Straße) beigesetzt. In Anlehnung an das bekannte Lied von Carl Bohm (1844–1920) ließ Paul Krische 1946 auf dem Grabmal seiner Frau die Inschrift „Still wie die Nacht und tief wie das Meer soll unsere Liebe sein” anbringen.

Werke (Auswahl)

Krische, Maria (1921): Die Sexuelle Frage in der Erziehung. Berlin: A. Hoffmann.

Krische, Maria (1925): Religion und Geschlechtlichkeit. Leipzig: Verlagsanstalt für proletarische Freidenker.

Krische, Maria [1932]: Das Freidenkertum und die Frauen. Berlin: Deutscher Freidenker-Verband.

Krische, Paul (1927): Das Rätsel der Mutterrechtsgesellschaft. Eine Studie über die Frühepoche der Leistung und Stellung des Weibes. Unter Mitarbeit von Maria Krische. München: Georg Müller.

Weiterführende Literatur

Bergemann, Hans; Dose, Ralf; Keilson-Lauritz, Marita. Hrsg. (2019): Magnus Hirschfelds Exil-Gästebuch. Unter Mitarbeit von Kevin Dubout. Leipzig, Berlin: Hentrich & Hentrich, S. 215.

Dose, Ralf (1991): Aufklärungen über die „Aufklärung“. Ein Werkstattbericht. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 15, S. 31-43.

Kühl, Richard (2009): Maria Krische (1880–1945) und Paul Krische (1878–1956) in: Sigusch, Volkmar und Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 392-397.

Reinert, Kirsten (2000): Frauen und Sexualreform 1897–1933. Herbolzheim: Centaurus.

Tagebücher Paul Krisches

Seit 2013 besitzt die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zahlreiche Tage-, Jahres- und Erinnerungsbücher aus dem Nachlass von Paul und Maria Krische. Die von Paul Krische handschriftlich geführten Tagebücher umfassen die Jahre 1930 bis 1940, die Sammelalben stammen aus den Jahren 1915 bis 1953. Zusätzlich gehören Unterlagen zur Familiengeschichte und vier Kästen mit Fotografien zu dem Konvolut. Näheres hier.