Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Johanna Elberskirchen, Naturärztin

geb. 11.4.1864 (Bonn) gest. 17.5.1943 (Rüdersdorf bei Berlin)

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Johanna Elberskirchen, um 1905. Quelle: CC BY-SA 3.0 (Creative Commons).
Johanna Carolina Elberskirchen wurde am 11. April 1864 als Tochter eines Bonner Kaufmanns und dessen Ehefrau geboren. Nach der absolvierten Schulausbildung arbeitete sie zunächst als Buchhalterin in Rinteln und nahm dann ein Studium der Medizin, später der Jura in der Schweiz auf. In Deutschland war Elberskirchen als Frau Anfang der 1890er Jahre nach wie vor der Zugang zu den Universitäten verwehrt. Vermutlich aus Kostengründen schloss Elberskirchen ihr Studium aber nie ab.

Nachdem sie in ihre Heimatstadt Bonn zurückgekehrt war, engagierte sich Johanna Elberskirchen in der SPD, in der sie für einige Jahre den Vorsitz des Jugendausschusses übernahm. Sie wurde jedoch 1913 aus der Partei ausgeschlossen, da sie zeitgleich in einem bürgerlichen Frauenstimmrechtsverein aktiv war. Diese beiden Engagements galten damals aus sozialdemokratischer Sicht als nicht vereinbar.

1914 wurde Johanna Elberskirchen als Naturärztin in einem Sanatorium in Finkenwalde bei Stettin (heute Zdroje, ein Vorort von Szczecin, Polen) tätig. Wenig später zog sie nach Berlin, wo sie sich maßgeblich in der Säuglingsfürsorge engagierte. Zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac (1891–1967) wohnte Elberskirchen ab 1920 in Rüdersdorf, südöstlich von Berlin. Hier engagierte sie sich wieder in der SPD und betrieb eine Homöopathische Praxis. Diese Praxis konnte sie bis an ihr Lebensende führen, auch wenn sie von Seiten der Nazis nach 1933 Berufseinschränkungen hinnehmen musste.

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Sonderstempel der Deutschen Post, 2016.
Johanna Elberskirchen war als feministische Schriftstellerin, Rednerin und Aktivistin ausgesprochen produktiv. Sie widmete sich Themen wie dem Frauenwahlrecht, dem Frauenstudium, der Gewalt gegen Mädchen und Frauen sowie Fragen der Kinderheilkunde. Anfangs publizierte sie unter dem Pseudonym „Hans Carolan“. Sie „outete” sich 1904 in ihrer Schrift Was hat der Mann aus Weib, Kind und sich gemacht? indirekt mit den Worten: „Sind wir Frauen homosexual – nun dann lasse man uns doch! Dann sind wir es doch mit gutem Recht! Wen geht’s an? Doch nur die, die es sind.“ In Hinblick auf die Homosexualität lehnte Johanna Elberskirchen zeittypische Vorstellungen einer gewissen Männlichkeit lesbischer Frauen ab. Sie wurde 1914 und 1920 als Mitglied im Obmännerkollegium des WhK genannt, damit gehörte sie neben Gertrud Topf, Else Drumm und Helene Stöcker zu den ersten weiblichen „Obmännern” der Organisation. 1928 hat sie in Kopenhagen, 1929 in London und 1930 in Wien an den Kongressen der Weltliga für Sexualreform (WLSR) teilgenommen.

Johanna Elberskirchens Redebeitrag auf dem Wiener WLSR-Kongress wurde von den Zeitgenossen offenbar weitgehend übergangen, doch verstören ihre Worte vom September 1930 nach wie vor. In einer Zeit, in der sich die Weimarer Republik in einer tiefen Krise befand, prangerte die einstige Vorkämpferin der lesbischen Liebe eine „ungeheuerliche Zügellosigkeit der Libido sexualis“ in der Gegenwart an, sie wandte sich gegen die „Überbewertung des Sexualen in der Kultur“ und beschwor die Wiederkehr der „Reinheit der altgermanischen Jungfrauen und Jungmänner“.

Johanna Elberskirchen starb am 17. Mai 1943 im Alter von 79 Jahren. Die Urne mit ihren sterblichen Überresten wurde 1975 – über dreißig Jahre nach ihrem Tod – von zwei Frauen heimlich im Grab ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac auf dem Rüdersdorfer Friedhof beigesetzt. Seit 2002 steht die gemeinschaftliche Grabstätte der beiden Frauen unter Schutz.

Schriften (Auswahl)

Elberskirchen, Johanna (1904): Was hat der Mann aus Weib, Kind und sich gemacht? Revolution und Erlösung des Weibes. Eine Abrechnung mit dem Mann – ein Wegweiser in die Zukunft! Berlin: Magazin-Verlag.

Gedenken

2003 fand auf dem Rüdersdorfer Friedhof eine Gedenkveranstaltung statt, an der einhundert Personen teilnahmen. Für Johanna Elberskirchen und ihre Lebensgefährtin Hildegard Moniac wurden Gedenktafeln aufgestellt. Seit Ende 2005 erinnert außerdem am Geburtshaus Elberskirchens in Bonn (Sternstraße 37, früher Nr. 195) eine Gedenktafel an die streitbare Feministin. Weiteres zur Rüdersdorfer Grabstätte siehe hier.

Weiterführende Literatur

Eggeling, Tatjana (o.J.): Johanna Elberskirchen, auf: Webseite der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Leidinger, Christiane (2001): Johanna Elberskirchen und ihre Rüdersdorfer Zeit. Eine erste Skizze, in: Forum Homosexualität und Literatur, Nr. 39, S. 79-106.

Leidinger, Christiane (2003): Eine Urne im Pferdestall oder: die Geschichte einer geschützten Grabstätte und zweier Grabtafeln für Johanna Elberskirchen (1964–1943) und Hildegard Moniac (1891–1967), in: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Nr. 35/36, S. 51-57.

Leidinger, Christiane (2008): Keine Tochter aus gutem Hause. Johanna Elberskirchen (1864–1943). Konstanz: UVK (Universitätsverlag Konstanz).

Leidinger, Christiane (2009): Johanna Elberskirchen, in: Sigusch, Volkmar und Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung. Frankfurt/New York: Campus, S. 125-127.

Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Hrsg. (2015): Persönlichkeiten in Berlin 1825–2006. Erinnerungen an Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Berlin, S. 26-27.

Werkbibliografie zu Johanna Elberskirchen und weiteres Material auf Lesbengeschichte.org.