Donald Webster Cory, Soziologe
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Edward Sagarin wurde als Sohn russisch-jüdischer Eltern in der Nähe von New York geboren. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Frankreich, bei dem er André Gide (1869–1951) persönlich kennenlernte, besuchte der das City College of New York, musste das Studium allerdings aufgrund der Weltwirtschaftskrise vorzeitig abbrechen.
1936 ging Edward Sagarin die Ehe ein und wurde Vater eines Sohnes. In der Folge wurde er in der Parfüm- und Kosmetikindustrie tätig, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen, und 1945 veröffentlichte er ein Buch über die Parfümherstellung.
Als homosexueller Mann führte Edward Sagarin ein Doppelleben und publizierte sein Buch The Homosexual in America unter dem Pseudonym „Donald Webster Cory“. Es handelte sich um das erste Buch in den Vereinigten Staaten von Amerika, das sich mit der Politik für Homosexuelle beschäftigte und deren Situation in der Gesellschaft wohlwollend betrachtete. Sagarin forderte in ihm die Aufhebung aller Gesetze, die die sexuelle Minderheiten diskriminierten. Der Kinsey-Report von 1948 beförderte die Aufnahme von Sagarins Buch, und Sagarin selbst verhalf durch sein Engagement Organisationen wie der Mattachine Society und der Zeitschrift One zu mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung.
In einer zweiten Publikation, die Sagarin 1953 ebenfalls unter Pseudonym veröffentlichte, präsentierte er eine Anthologie von Kurzgeschichten, die sich mit dem Thema Homosexualität befassten und von Autoren wie Sherwood Anderson, Paul Bowles, Christopher Isherwood, Denton Welch und Stefan Zweig stammten.
In den 1960er Jahren schloss Sagarin ein Studium der Soziologie ab und bewarb sich um den Vorsitz der Mattachine Society, scheiterte jedoch mit seiner Bewerbung. Er verlegte sich daraufhin wieder auf seine akademische Ausbildung, die er mit einer Dissertation über die Mattachine Society abschloss. Der Titel seiner Arbeit lautete „Structure and Ideology in an Association of Deviants“. Anschließend wurde Sagarin Assistenzprofessor am Baruch College der City University of New York.
Die Identität von „Donald Webster Cory“ alias Edward Sagarin wurde erst 1974 gelüftet. Auf einem Kongress der American Sociological Association in Montreal übte Sagarin im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Theoretical Perspectives on Homosexuality“ Kritik am Wissenschaftsbetrieb seiner Zeit. In der Folge ergriff der Soziologe und Priester Laud bzw. Robert Allan Humphreys (1933–1988), der für seine Forschungen zu sexuellen Begegnungen unter Männern auf öffentlichen Toiletten (veröffentlicht als Tearoom Trade, 1970) bekannt geworden war, das Wort und sprach Sagarin mit „Mr. Cory“ an. Nach dem Kongress zog sich Sagarin aus der Forschung zur Homosexualität zurück.
An dem 1952er Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE) nahm „Donald Webster Cory“ alias Edward Sagarin nicht persönlich teil. Sein Vortrag über die puritanischen Tendenzen in der US-amerikanischen Gesellschaft und den Erfolg des Kinsey-Reports wurde von Arthur Weil (1887–1969) verlesen. Er kam anschließend auch in der US-amerikanischen „Homophilenzeitschrift“ One zum Abdruck. In einem Kurzbericht, der wenig später im Periodical Newsletter zum Abdruck kam, wurde betont, dass „Donald Webster Cory“ in seinem Vortrag betont habe, nicht die „Homoeroten“ machten die Gesellschaft krank. Vielmehr schaffe die Gesellschaft Neurotiker, indem sie die Angehörigen sexueller Minderheiten unterdrücke und sie zwinge, sich hinter einer Fassade der Unterwürfigkeit zu verstecken.
Nach eigenen, späteren Angaben hat Edward Sagarin nie behaupten wollen, dass Homosexuelle geistig gesund seien. Vielmehr betrachtete er schwule Männer und lesbische Frauen als von Natur aus zwanghaft und neurotisch. Er war der Überzeugung, dass sie sich nie gut anpassen könnten. Auch zu seiner eigenen körperlichen Einschränkung – Sagarin litt an einer angeborenen Verkrümmung der Wirbelsäule – hat er offenbar nie eine akzeptierende Haltung entwickelt.
Weiterführende Literatur
Anonym (1952): Dieser Kongresz [sic!], in: Periodical Newsletter, [Nr. 8] (Oktober 1952), S. 15-17, hier S. 15 [siehe hier auch S. 4].
Armstrong, Moira (2024): Donald Webster Cory, auf: Outhistory (übernommen aus: Disabled Gay and Lesbian Activists in the Homophile Movement, 1930s–1980s)
Cory, Donald Webster [d.i. Edward Sagarin] (1951): The Homosexual in America. A Subjective Approach. New York: Greenberg.
Cory, Donald Webster [d.i. Edward Sagarin] (1953): An address delivered to the International Committee for Sex Equality at the University of Frankfort [sic!], September, 1952, in: One (Jg. 1), Nr. 2, S. 2-11. [Wiederabdruck in: Ridinger, Robert B. Hrsg. (2004): Speaking for our lives. Historic speeches and rhetoric for gay and lesbian rights (1892–2000). New York (u.a.): Harrington Park Press, S. 31-40.]
S. A. (1952): [Bookreview] The Homosexual in America by Donald Webster Cory, in: Periodical Newsletter [Nr. 8] (Oktober 1952), S. 10-11.
Sullivan, Gerard (2002): Cory, Donald Webster, in: Aldrich, Robert and Garry Wotherspoon (Hrsg.): Who’s Who in Contemporary Gay & Lesbian History. From World War II to the Present Day. London/New York: Routledge, S. 92-93.
Summers, Claude J. (2004): Sagarin, Edward (Donald Webster Cory) (1913–1986), auf: glbtq.com.