Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Til Brugman, Schriftstellerin

geb. 16.9.1888 (Amsterdam, Niederlande) gest. 24.7.1958 (Gouda, Niederlande)

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Til Brugman, 1926. Quelle: Berlinische Galerie (BG-Ar 1/2003,009), Public Domain.
Til (eigentlich Mathilda Maria Petronella) Brugman wurde am 16. September 1888 in eine wohlhabende, streng katholische niederländische Familie geboren. Ihr Vater war Weinhändler. Da sie sich schon als Kind nicht so gut mir ihrer Mutter verstand, wurde sie im Alter von zwölf Jahren vorübergehend auf ein Mädcheninternat geschickt. Einige Jahre später verstritt sie sich mit ihren Eltern derart, dass diese sie aus dem Haus warfen.

Til Brugmann liess sich in Amsterdam zur Fremdsprachenkorrespondentin ausbilden und zog 1917 nach Den Haag, wo sie mit ihrer Freundin, einer Sängerin, zusammenlebte. Sie verdiente sich in dieser Zeit ihren Lebensunterhalt als Handelskorrespondentin und später als selbständige Fremdsprachenlehrerin. Nachdem sie mit renommierten Stijl-Künstlern und Architekten in Kontakt gekommen war, begann sie, Lautgedichte zu schreiben: rhythmische Klangkonstruktionen, die ohne erkennbaren Bezug zur Realität standen.

1926 lernte Til Brugman die deutsche Dadaistin Hannah Höch (1889–1978) kennen, mit der sie über neun Jahre lang zusammenlebte. Unter dem Einfluss Höchs begann Brugman, Grotesken zu schreiben, die sich durch die Vermengung von Ernstem mit Komischem, Realistischem mit Fantastischem sowie Verzerrungen und Übertreibungen auszeichneten. Sie schrieb diese Grotesken zunächst auf Niederländisch und ab 1929, nachdem sie mit Höch nach Berlin gezogen war, auch auf Deutsch.

Til Brugman schrieb Hunderte von Groteksen, fand für ihre Arbeiten aber kaum Verleger. Am bekanntesten blieb ihre Sammlung Scheingehacktes (1936), die Zeichnungen von Hannah Höch enthielt. Noch 1936 trennten sich Brugman und Höch, doch blieb Brugman noch drei Jahre in Berlin wohnen, bevor sie zurück in die Niederlande zog. Zusammen mit ihrer neuen Freundin Hans Mertineit-Schnabel wohnte sie im Amsterdamer Stadtteil Rivierenbuurt, wo sie auch mit der Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung der Niederlande zusammenarbeitete. Um 1945 schrieb Brugman an einem Roman, der 1953 unter dem Titel „Spanningen“ (dt. „Spannungen”) veröffentlicht wurde. In dem Buch bekannte sie, dass sich ihre Hoffnungen auf eine gerechte Nachkriegsgesellschaft zerschlagen hätten. Die Menschen schienen nicht aus dem erlittenen Elend und dem vorübergehend erfahrenen Gefühl der Zusammengehörigkeit gelernt zu haben.

Brugman, die seit 1937 unter erheblichen gesundheitlichen Beschwerden litt, fand im Großen und Ganzen aber keinen Anschluss an die neue Schriftstellergeneration nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwar wurde sie 1952 mit dem Novellenprijs der Stadt Amsterdam und dem Marianne Philipsprijs ausgezeichnet. Doch als sie am 24. Juli 1958 im niederländischen Gouda starb, geriet ihr Werk schnell in Vergessenheit.

Erst ab den 1980er Jahren erwachte das Interesse an Til Brugman wieder. Die Aufmerksam galt nun aber vor allem ihrem Leben als lesbische Frau im Kreis der Avantgarde. Bekannt ist, dass Til Brugman im August 1931 das Institut für Sexualwissenschaft besuchte, um sich das „pathologische Museum“ eines gewissen „Professor Hirschmann oder so“ anzuschauen, wie sie ihrer Freundin Hannah Höch mitteilte. Wenn ihr auch der Name Magnus Hirschfelds nicht in Erinnerung blieb, machte die im Institut für Sexualwissenschaft ausgestellte Sammlung von Exponaten Eindruck auf sie. Til Brugman verfasste nach dem Besuch eine vom Dada-Stil beeinflusste Groteske unter dem Titel „Das Warenhaus der Liebe“ („Liefdeswarenhuis“). Hier beschrieb sie, wie die Besucher und Besucherinnen des Museums in den unterschiedlichsten Abteilungen für wunderliche Fetische und Obsessionen fündig und glückselig werden. Die Groteske schließt mit einer bedrohlichen Vision, die das Ende des Instituts knapp zwei Jahre später vorwegzunehmen scheint.

Schriften (Auswahl)

Brugman, Til (1935): Scheingehacktes. Zeichnungen von Hannah Höch (Die neue Reihe, 22/23). Berlin: Verlag Die Rabenpresse.

Brugman, Til (1953): Spanningen. Amsterdam: Contact.

Brugman, Til (1988): Liefdeswarenhuis. In: Lust & Gratie (Jg. 5), Nr. 19, S. 58-65.

Brugman, Til (1995): Das vertippte Zebra. Lyrik und Prosa. Hgg. von Marion Brandt. Berlin: Hoho-Verlag.

Weiterführende Literatur

Everard, Myriam (1988): Til Brugman (1888–1958), in: Lust & Gratie (Jg. 5), Nr. 19, S. 10-17 (online hier).

Everard, Myriam (1991): „Man lebt nur einmal in Parchamatac”. Die groteske Welt von Til Brugman, Lebensgefährtin von Hannah Höch. In: Dech, Julia und Elen Maurer (Hrsg.): Da-da-zwischen-Reden zu Hannah Höch. Berlin: Orlanda, S. 82-97.

Hermans, Doris (o.J.): Til Brugman, auf: Fembio Frauen.Biographieforschung.

Slob, Marleen (1994): „De mensen willen niet rijpen, vandaar”. Leven en werk van Til Brugman. Amsterdam: Feministische Uitgeverij Vita.

Slob, Marleen (2013): Brugman, Mathilda Maria Petronella (1888–1958), in Biografisch Woordenboek van Nederland.