Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Franz Wilhelm Brix, Dr. med., Neurologe

geb. 5.11.1920 (Wien, Österreich) gest. 1992 (unbekannter Ort)

Zur Biografie

Über Franz Wilhelm Brix liegen nur wenige Angaben vor. In den Unterlagen des International Committee for Sexual Equality (ICSE) wird sein Vorname fälschlich mit „Werner (F.)“ angegeben, in anderen Quellen sind seine Initialen „F. W.“ zu „W. F.“ vertauscht. Gleichwohl kann als gesichert gelten, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt.

Franz Wilhelm Brix wurde am 5. November 1920 in Wien geboren. Von 1940 bis 1946 studierte er, kriegsbedingt mit einigen Unterbrechungen, an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, wobei er das Wintersemester 1944/45 an der Universität in Graz verbrachte. Am 20. Dezember 1946 promovierte er zum Dr. med. Nach 1938 war er zunächst Kameradschaftsführer bei der Hitler-Jugend (HJ), und bis 1945 gehörte er als Mitglied auch der Waffen-SS an.

Franz Wilhelm Brix war Neurologe und 1954 neben dem früheren österreichischen Justizminister Otto Tschadek (1904–1969) einer der Initiatoren der (ersten) Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGfS). Brix distanzierte sich dabei von der Sexualwissenschaft in ihrer Frühzeit und betonte: „Die Schwierigkeiten und Fehler, die die Sexualwissenschaft in ihren Anfängen, etwa um die Jahrhundertwende, so sehr hemmten und oft in falsche Bahnen geraten ließen, sollen vermieden werden.“ Gleichwohl erklärte er, man wolle aus der Vergangenheit lernen und zunächst das bisher Geleistete sammeln und sichten. Man beabsichtige ferner, sich nicht nur der „Sexualität des gesunden, normalen Menschen“ zu widmen, sondern auch der Kriminalsexualität und der Sexualpathologie. Diesbezüglich sollten Mediziner, Juristen, Philosophen, Theologen, Soziologen, Pädagogen und Fürsorger zusammenarbeiten. Homosexualität etwa sollte nur dann strafbar sein, wenn durch sie „Jugendliche verleitet werden, die öffentliche Sittlichkeit verletzt oder körperlicher Schaden angerichtet wird.“

Die konstituierende Generalversammlung der ÖGfS fand am 3. November 1954 im Hörsaal der Klinik Wiedmann im Wiener Allgemeinen Krankenhaus statt. Leitender Präsident der Gesellschaft wurde der Wiener Rechtsmediziner Fritz Reuter (1875–1959), seine Stellvertreter waren die früheren österreichischen Minister Eduard Ludwig (1883–1967) und Otto Tschadek. Die Organisation stand darüber hinaus unter dem „Ehrenschutz“ des österreichischen Sozialministers Karl Maisel (1890–1982) und sollte als selbständiges wissenschaftliches Institut arbeiten.

Ein Jahr nach der konstituierenden Generalversammlung der ÖGfS hielt Franz Wilhelm Brix auf dem Pariser Kongress des ICSE einen Vortrag unter dem Titel „Sociological aspects of the homosexual problem“.

Die ÖGfS und die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) strebten anfangs eine enge Zusammenarbeit an, und Franz Wilhelm Brix galt zeitweise als österreichisches „Pendant“ des deutschen Arztes und Sexualwissenschaftlers Hans Giese. Bereits die vierte DGfS-Tagung in Erlangen 1956 fand in Kooperation mit der ÖGfS statt, während für den Wiener Kongress zwei Jahre später die ÖGfS als Gastgeber fungierte.

Gleichwohl kam es auch früh zu Unstimmigkeiten zwischen den deutschen und den österreichischen Vertretern und Vertreterinnen der jeweiligen Fachgesellschaften. Hans Giese etwa beklagte, dass Franz Wilhelm Brix bei der Planung des Wiener Kongresses 1958 „völlig versagt“ habe, und beabsichtigte zwischenzeitig, seine zugesicherte Teilnahme wieder zurückzuziehen.

Um Franz Wilhelm Brix und die Österreichische Gesellschaft für Sexualforschung wurde es nur wenig später sehr still. Der Kontakt mit den deutschen Kollegen und Kolleginnen kam aus bisher unbekannten Gründen zum Erliegen, und über das weitere Schicksal der ÖGfS liegen kaum Angaben vor. Laut Florian Mildenberger verschwand die Gesellschaft spätestens Ende der 1960er Jahre gänzlich von der Bildfläche. Als der Sexualforscher Ernest Borneman (1915–1995) etwa zehn Jahre später eine neue Österreichische Gesellschaft für Sexualforschung plante, erhielt er von dem zuständigen Ministerium in Wien die Nachricht, eine frühere Organisation unter diesem Namen sei gelöscht worden und einer Neugründung stehe mithin nichts im Wege.

Weiterführende Literatur

[Anonym] (1954): Sexualforschung in Österreich. Eine wissenschaftliche Gesellschaft gegründet, in: Arbeiter-Zeitung (Wien) vom 22.7.1954 (Nr. 167), S. 5.

[Anonym] (1954): Sexualforschung in Österreich, in: Arbeiter-Zeitung (Wien) vom 3.11.1954 (Nr. 255), S. 5.

[Anonym] (1954): Gesellschaft für Sexualforschung konstituiert, in: Neues Österreich vom 5.11.1954, S. 3.

[Anonym] (1955): Program of the Fourth International Congress for Sexual Equality, in: Periodical Newsletter. Nr. 7 (Oktober 1955), S. 1-3, hier S. 1.

Centesimus (1956): Es wetterleuchtet in Österreich! „Ist die homosexuelle Handlung wirklich ein Verbrechen?“, in: Der Kreis (Jg. 24), Nr. 11, S. 12-13.

Liebeknecht, Moritz (2020): Wissen über Sex. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung im Spannungsfeld westdeutscher Wandlungsprozesse (Hamburger Beiträge zur Sozial und Zeitgeschichte, 60). Göttingen: Wallstein, S. 105-107.

Mildenberger, Florian (2004): Allein unter Männern. Helene Stourzh-Anderle in ihrer Zeit (1890–1966) (Frauen, Gesellschaft, Kritik, 42). Herbolzheim: Centaurus-Verlag, S. 21.