Wolfgang E. Bredtschneider, Dr. med., Neurologe, Psychiater
Zur Biografie
Wolfgang E. Bredtschneider wurde am 9. Januar 1916 als Sohn des Berliner Regierungsbaurats Walther Bredtschneider und dessen Ehefrau Agnes geb. Baumann geboren. Er wuchs in Berlin-Steglitz auf und studierte ab Herbst 1935 Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. In seiner Dissertation („Ärztliche Grundlagen zur Frage der Behandlungsduldung“) von 1941 widmete er sich der Rolle des Arztes im Spannungsfeld zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten über den eigenen Körper und den Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen, hier dem nationalsozialistischen Staat und dem Sozialversicherungssystem.
Vermutlich kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog Wolfgang E. Bredtschneider nach Frankfurt/Main, wo er als Militärarzt für die US-amerikanische Armee und als Neurologe tätig wurde. Anschließend praktizierte er als Facharzt für Nerven- und Gemütsleiden in der Stadt.
Im Sommer 1949 gründete Wolfgang E. Bredtschneider zusammen mit dem kaufmännischen Angestellten Heinz Meininger und anderen den Verein für humanitäre Lebensgestaltung (VhL), der als erste Interessenvertretung Homosexueller in Frankfurt nach 1945 vor allem den Bedürfnissen seiner Mitglieder nach Unterhaltung und Selbstentfaltung nachkam. Über die Rolle, die Bredtschneider in dem Verein spielte, ist indes heute nichts bekannt.
Auf dem Ersten Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE), der 1951 in Amsterdam stattfand, hielt Wolfgang E. Bredtschneider einen Vortrag unter dem Titel „Zur Sinnfrage der Homoerotik“. Der Redetext kam wenig später in der Schweizer Zeitschrift für Homosexuelle Der Kreis zum Abdruck. Um den „Frankfurter Homosexuellenprozessen“ von 1950/51, die bundesweit für Aufsehen gesorgt hatten, von „homophiler“ Seite etwas entgegenzusetzen, wurde der zweite Kongress des ICSE 1952 in Frankfurt abgehalten. Auch hier gehörte Bredtschneider neben Hans Giese und Hermann Weber zu den Rednern.
1955 trat Wolfgang E. Bredtschneider dem vorläufigen Kuratorium des Cultuur- en Ontspanningscentrum (COC, dt. „Kultur- und Freizeitzentrum“, 1946–1966) in Amsterdam bei, und 1962 wurde er zum Beisitzer des Hamburger Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gewählt, zu dessen Gründung der Schriftsteller Kurt Hiller (1885–1972) die Initiative ergriffen hatte.
Anfang der 1960er Jahre sprach sich Wolfgang E. Bredtschneider auch in Form von Leserbriefen öffentlich für die Straffreiheit des „homosexuellen Grundtatbestandes“ aus, und 1963 unterzeichnete er die Petition Hillers zur Beseitigung des Paragraphen 175 StGB .
Wohl aus gesundheitlichen Gründen – Bredtschneider litt an progressiver Multipler Sklerose, die durch Aufregungen, Frustrationen und existenzielle Sorgen beschleunigt wurde – zog er sich aber wenig später aus der Vereinsarbeit zurück. Über seine letzten Lebensjahre ist so gut wie nichts bekannt. Wolfgang E. Bredtschneider starb am 30. Mai 1973 an den Folgen seiner Erkrankung.
Weiterführende Literatur
Bredtschneider, Wolfgang E. (1951): Zur Sinnfrage der Homoerotik, in: Der Kreis (Jg 20), Nr. 7, S. 7-9, Nr. 8, S. 2-5, Nr. 9, S. 6-8, erster Teil online hier.
Bredtschneider, Wolfgang E. (1954): Über die Behandlung der Homosexualität. Eine persönliche Stellungnahme, in: Der Kreis (Jg. 22), Nr. 7, S. 2-6, online hier.
Bredtschneider, Wolfgang E. (1962): „Ist der Paragraph 175 notwendig?“ [Leserbrief] in: Frankfurter Rundschau vom 27.11.1962.
Wolfert, Raimund (2021): Bredtschneider, Wolfgang E., in: Frankfurter Personenlexikon.