Iwan Bloch, Dr. med., Arzt und Sexualwissenschaftler
Zur Biografie
Iwan Bloch wurde 1872 als Sohn eines jüdischen Bauern und dessen Ehefrau in Delmenhorst geboren. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Hannover studierte er ab 1891 Medizin und Philosophie in Bonn, Heidelberg und Berlin. Die Promotion schloss er 1896 in Würzburg ab. Im selben Jahr heiratete er, doch wurde die Ehe bereits 1905 wieder geschieden.
Iwan Bloch ließ sich 1898 als „Spezialarzt für Haut- und Sexualleiden“ in Charlottenburg bei Berlin nieder. Seine Praxis betrieb er in der Joachimsthaler Straße 9/Ecke Kurfürstendamm. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit war Bloch umfassend publizistisch tätig, in zahlreichen kulturhistorischen und anthropologischen Studien widmete er sich etwa Missbildungen bei Neugeborenen, der Lebensgeschichte des Marquis de Sade oder dem „Geschlechtsleben in England“ im 18. Jahrhundert. Dabei bediente er sich mehrerer Pseudonyme, so „Dr. Eugen Dühren“ und „Dr. Albert Hagen“. Offenbar wollte Bloch seine Schriften über sexuelle Praktiken nicht immer unter seinem Klarnamen veröffentlicht sehen. Doch waren seine Pseudonyme schon früh „offene Geheimnisse“, da sie zum Teil durch seinen Verleger zeitnah „entschlüsselt“ wurden.
Weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt wurde Iwan Bloch 1901 durch seine Studie Der Ursprung der Syphilis. In Ihr begründete er die These, die Krankheit sei Ende des 15. Jahrhunderts durch die Mannschaft Christoph Kolumbus‘ nach Europa eingeschleppt worden. Bis dahin war man davon ausgegangen, die Syphilis habe ihren Ursprung im europäischen Altertum gehabt. Ein besonderer Erfolg war Blochs Das Sexualleben unserer Zeit von 1907, das bis 1919 in zwölf Ausgaben erschien, in mehrere Sprachen übersetzt wurde und Blochs Ruf als „Vater der modernen Sexualwissenschaft“ begründete.
Über das Privatleben Iwan Blochs liegen nur wenige Angaben vor. Bloch war Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften und Zusammenschlüssen, etwa in der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung, der „Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ und im Bund für Mutterschutz Helene Stöckers (1869–1943). 1913 gründete er zusammen mit Magnus Hirschfeld, Albert Eulenburg (1848–1917) und anderen die „Ärztliche Gesellschaft für Sexualwissenschaft und Eugenik“, 1914 zusammen mit Eulenburg die Zeitschrift für Sexualwissenschaft.
Im Ersten Weltkrieg wurde Iwan Bloch zum Militärdienst eingezogen, und nach 1918 gelang es ihm nicht mehr, an seine publizistischen Erfolge von vor 1914 anzuknüpfen. 1921 erkrankte er an der Grippe, die sich bei ihm zu einer bakteriellen Endokarditis mit Sepsis ausweitete. Infolgedessen mussten ihm beide Beine oberhalb der Knie amputiert werden. Noch im Krankenhaus heiratete Iwan Bloch ein zweites Mal.
Iwan Bloch starb 1922 an den Folgen einer Hirnembolie. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee (Feld A4, Erbbegräbnis N. 3221) beigesetzt.
Schriften (Auswahl)
[u.d. Pseudonym] Dühren, Eugen (1900): Der Marquis de Sade und seine Zeit. Ein Beitrag zur Cultur- und Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts. Berlin, Leipzig: Barsdorf.
Bloch, Iwan (1901/1911): Der Ursprung der Syphilis. Eine medizinische und kulturgeschichtliche Untersuchung. Jena: Fischer.
Bloch, Iwan (1907): Das Sexualleben unserer Zeit in seiner Beziehung zur modernen Kultur. Berlin: Marcus
Bloch, Iwan (1912): Die Prostitution (Bd. 1). Berlin: Marcus.
Bloch, Iwan und Georg Loewenstein (1925): Die Prostitution (Bd. 2). Berlin: Marcus.
Weiterführende Literatur
Grau, Günter (2007): Iwan Bloch. Hautarzt – Medizinhistoriker – Sexualforscher (Jüdische Miniaturen, 57). Berlin: Hentrich & Hentrich.
Grau, Günter (2009): Iwan Bloch, in: Sigusch, Volkmar und Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 52-61.
Kaldewei, Gerhard (2022): Der jüdische Sexualwissenschaftler Dr. med. Iwan Bloch (Delmenhorst 1872–1922 Berlin) und „das Sexualleben unserer Zeit in seiner Beziehung zur modernen Kultur” (Oldenburger Forschungen Neue Folge, 37). Oldenburg: Isensee Verlag.
Archivalien
Ein Restnachlass aus dem Besitz der Schwiegertochter Erika Bloch befindet sich im Archiv der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft.