Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Paul Hugo Biederich, Dr. jur., Rechtsanwalt

geb. 31.12.1907 (Danzig, heute Gdańsk, Polen) gest. 26.4.1968 (West-Berlin)

Zur Biografie

Paul Hugo Biederich wurde am 31. Dezember 1907 in Danzig-Langfuhr (heute: Gdańsk, Polen) geboren. Nach dem Schulbesuch studierte er Rechtswissenschaften und wurde 1933 an der Universität Kiel zum Dr. jur. promoviert. Bald darauf wurde er in den Dienst der Geheimen Staatspolizei übernommen, wo er es bis zum Leiter der Gestapo in Potsdam brachte. Paul Hugo Biederich war auch Mitglied der SS und erreichte hier den Rang eines Unterscharführers.

1938 wurde Paul Hugo Biederich vermutlich erstmals wegen homosexueller Beziehungen verhaftet und noch im selben Jahr wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 175 RStGB verurteilt. Seine Zugehörigkeit zur Gestapo und zur SS wurde dabei als strafverschärfend bewertet. Im Mai 1949 saß Paul Hugo Biederich wegen eines Vorwurfs nach § 175 StGB in Hamburg erneut in Untersuchungshaft.

Nach 1945 gehörte Paul Hugo Biederich zu den namhaftesten Anwälten Homosexueller in der Bundesrepublik Deutschland. Im Herbst 1949 gründete er zusammen mit dem Hamburger Geschäftsmann Oskar Kertscher eine nicht eingetragene Arbeitsgemeinschaft zur Abschaffung des Paragrafen 175 StGB. Wenig später zog Biederich nach Frankfurt am Main, wo er Hans Giese, der im Jahr zuvor nach dem Vorbild Magnus Hirschfelds sein Institut für Sexualforschung gegründet hatte, als Rechtsbeistand diente.

Als Hans Giese 1950 die erste „Sexualwissenschaftliche Arbeitstagung“ in Frankfurt ausrichtete und sich dabei zunehmender Kritik ausgesetzt sah, übernahm Biederich die Führung des 1949 ebenfalls von Giese gegründeten neuen Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK), das unter seinem Vorsitz jedoch bald bedeutungslos wurde. Auch die Beziehungen zwischen Oskar Kertscher und Paul Hugo Biederich waren im Zuge von Biederichs Umzug nach Frankfurt merklich abgekühlt. Auch zwischen Giese und Biederich kam es bald zu erheblichen Spannungen und schließlich zu einem Zerwürfnis.

In einem Bericht zum Frankfurter Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE) von 1952 heißt es, Biederich habe sich in seinem Vortrag gegen ein Rundschreiben des west-deutschen Justizministers Thomas Dehler (1897–1967, FDP) ausgesprochen, das in Fällen, in denen eine Bestrafung wegen homosexuellen Verkehrs vorliege, Polizeiaufsicht empfahl. Ein solches Vorgehen widerspreche den demokratischen Grundsätzen der Erneuerung der Justiz in der Bundesrepublik.

Belegt ist, dass Paul Hugo Biederich, der in den frühen 1950er Jahren mehrere Veröffentlichungen zur Homosexualität vorlegte, in dem Grundsatzprozess zur Strafbarkeit der Homosexualität vor dem Bundesverfassungsgericht 1957 mit Oskar Kertscher zeitweise einen der beiden Beschwerdeführer vertrat. 1966 zog Paul Hugo Biederich aus Hamburg-Rahlstedt nach Berlin-Wilmersdorf, er starb zwei Jahre später in Berlin-Wedding.

Schriften (Auswahl)

Biederich, Paul Hugo (1950): Paragraph 175. Die Homosexualität. Regensburg/Wien: F. Decker.

Biederich, Paul Hugo (1951): Entgegnung auf die Schrift „Das dritte Geschlecht“ des Amtsgerichtsrats R. Gatzweiler, Bonn. Hamburg: Grieger.

Biederich, Paul Hugo und Leo Dembicki (1951): Die Sexualität des Mannes. Darstellung und Kritik des Kinsey-Report. Regensburg/Wien: Verlag für Sexualliteratur Decker.

Weiterführende Literatur

Anonym (1952): Dieser Kongresz, in: Periodical Newsletter, [Nr. 8] (Oktober 1952), S. 15-17, hier S. 17 [siehe hier auch S. 6].

Liebeknecht, Moritz (2020): Wissen über Sex. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung im Spannungsfeld westdeutscher Wandlungsprozesse (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, 60). Göttingen: Wallstein.

Wolfert, Raimund (2015): Homosexuellenpolitik in der jungen Bundesrepublik. Kurt Hiller, Hans Giese und das Frankfurter Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (hirschfeld-lectures, 8). Göttingen: Wallstein Verlag.

Wolfert, Raimund (2017): „Was mich angeht, ich werde als ganz ungebrochenes Exemplar der Gattung Mensch in die Grube steigen.“ Otto Hug (1905–1965), ein Lebensbild, auf: LSBTTIQ in Baden und Württemberg.