Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Martha Asmus, Schriftstellerin

geb. 20.6.1844 (Pillkallen, heute Dobrowolsk, Russland) gest. 28.1.1910 (Eberswalde)

Zur Biografie

Martha Asmus wurde am 20. Juni 1844 im ostpreußischen Pillkallen (heute Dobrowolsk, Russland) als Tochter eines Kreisarztes und dessen Frau geboren. Sie hatte vier Geschwister. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter mit ihren Kindern nach Stolp in Pommern (heute Słupsk, Polen), wo Martha Asmus die Schule besuchte.

Martha Asmus ging später nach Halle an der Saale, wo einer ihrer Brüder lebte. Nach dessen Tod begann sie zu schreiben. Es entstanden Gedichte, Romane und Erzählungen, die in Zeitschriften wie dem Simplicissimus erschienen, wobei sich Martha Asmus auch des Pseudonyms „Martha Klodwig” bediente. Noch vor der Jahrtausendwende wandte sich Martha Asmus, die 1885 nach Berlin gezogen war, der Frauenbewegung zu und vertrat ab etwa 1899 die Ansicht von der psychischen Gleichheit der Geschlechter. Sie übersetzte Die Blumen des Bösen von Charles Baudelaire aus dem Französischen, freundete sich mit dem österreichischen Anthroposophen Rudolf Steiner (1861–1925) an und setzte sich kritisch mit der frauenfeindlichen Schrift Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes des Neurologen und Psychiaters Paul Julius Möbius (1853–1907) auseinander.

Auch Magnus Hirschfelds Aufsatz „Die objektive Diagnose der Homosexualität“ im Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen von 1899 rief Martha Asmus’ Kritik hervor. Hirschfeld hatte in dem Aufsatz erstmals versucht, die Frage nach dem Geschlechtsunterschied zu erörtern. Unter Verweis auf Alltagserfahrungen hatte er fünf Gruppen von „Durchschnittstypen“ konstruiert, um den Unterschied zwischen Mann und Frau herauszuarbeiten.

Hirschfeld zufolge war das „Durchschnittsweib“ insgesamt „reproduktiver, anhaltender, treuer, praktischer, gemütvoller, reizbarer, kindlicher, äusserlicher, kleinlicher als der Mann.“ Es habe sich „vom Kinde nicht gar weit entfernt.“ Der Mann hingegen war für Hirschfeld „aktiver, produktiver, wechselnder, unternehmungslustiger, ehrgeiziger, härter, abstrakter als das Weib.“ Nach eigenen Worten wollte Hirschfeld mit diesen Zuschreibungen jedoch keine Unterlegenheit der Frauen den Männern gegenüber feststellen. Im Gegenteil, für ihn waren Frauen mit ihrer „kindlichen Art in bester Gesellschaft, in der Gesellschaft des Genies.“

Martha Asmus stellte Hirschfelds gesamtes Modell in Frage, attestierte ihm grobe Werturteile und schrieb: „In den genannten Verstandes- und Gemüts-Eigenschaften gibt es zwischen Mann und Weib keine graduellen Unterschiede.“ Ihre Kritik wurde 1900 durch den französischen Juristen und engen Mitarbeiter Hirschfelds im Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen Eugen Wilhelm („Numa Praetorius”) zurückgewiesen. Wilhelm sah die Einwände Asmus’ als nicht gerechtfertigt an, da Hirschfeld ja nur vom „Durchschnitt“ gesprochen habe, womit Ausnahmen von der Regel nicht ausgeschlossen seien.

Gleichwohl fragte Hirschfeld noch 1910, ob die Begabung von Frauen „für die Höchstleistungen der Kultur, die Schaffung auserlesener Meisterwerke in Technik, Kunst und Wissenschaft ausreichend“ sei. Er sah den vermeintlichen „Mangel an genialischen Leistungen und epochalen Schöpfungen“ bei Frauen nicht als gesellschaftlich, sondern als biologisch bedingt an. Zur Erklärung diente ihm nicht „die systematische Unterdrückung von Seiten der Männer“, sondern „die natürliche Beschaffenheit der Frauen an und für sich“.

Diese Äußerung dürfte Martha Asmus nicht mehr zur Kenntnis genommen haben. Sie starb am 28. Januar 1910 in der „Landesirrenanstalt” in Eberswalde.

Schriften (Auswahl)

Asmus, Martha (1899): Annette (Roman). Berlin: Hillger.

Asmus, Martha (1899): Homosexuell, in: Magazin für Literatur des In- und Auslandes (Jg. 68), Sp. 1145-1147.

Weiterführende Literatur

Herzer, Manfred (2017): Magnus Hirschfeld und seine Zeit. Berlin: De Gruyter Oldenbourg, S. 93-96.

Hirschfeld, Magnus (1899): Die objektive Diagnose der Homosexualität. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 1), S. 4-35.

Hirschfeld, Magnus (1910): Die Transvestiten. Eine Untersuchung über den erotischen Verkleidungstrieb mit umfangreichem casuistischen und historischen Material. Berlin: Medicinischer Verlag Alfred Pulvermacher & Co, S. 277-278.

Wilhelm, Eugen (1900): Bibliographie der Homosexualität für das Jahr 1899, sowie Nachtrag zu der Bibliographie des ersten Jahrbuchs von Dr. jur. Numa Praetorius, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 2), S. 345-445, hier S. 375.