Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Philippe Ariès, Historiker

geb. 21.7.1914 (Blois, Frankreich) gest. 8.2.1984 (Toulouse, Frankreich)

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Philippe Ariès wurde am 21. Juli 1914 im französische Blois in der Region Centre-Val de Loire geboren. Nach dem Besuch von katholischen Schulen in Paris studierte er Geschichte und Geographie an den Universitäten in Grenoble und Paris. Im Zweiten Weltkrieg musste er den Militärdienst absolvieren und gelangte anschließend an ein Institut für die Erforschung der kolonialen Landwirtschaft (IFAC) in der französischen Hauptstadt, an dem er von 1943 bis 1978 tätig war.

1943 veröffentlichte Ariès sein erstes Werk, in dem er sich mit den sozialen Traditionen im ländlichen Frankreich auseinandersetzte. Anschließend verfasste er ein Buch zur Geschichte der französischen Bevölkerung und ihren Einstellungen zum Leben. 1947 heiratete er Primerose de Saint-Martin, und seine Frau stand ihm als Forscherin bis zu ihrem Tod 1983 zur Seite.

In den 1950er Jahren verstand sich Philippe Ariès als Schüler des französischen Philosophen Gabriel Marcel, mit dem zusammen er auch zum Pariser Kongress des International Committee for Sexual Equality (ICSE) eingeladen wurde. Beide gehörten aber zu den französischen Intellektuellen, die im Zuge der Auseinandersetzungen um André Baudrys Auftreten im Vorfeld des Kongresses kurzfristig ihre Teilnahme absagten, um sich nicht vor die „Propagandakutsche“ Baudrys spannen zu lassen. In zeitgenössischen Zeitschriftenartikeln im Nachgang des Kongresses wurden ihre Namen nicht mehr genannt. Der Vortrag, den Ariès ursprünglich vor dem ICSE halten sollte, wurde unter dem Titel „The Myth(s) of Adolescence“ bzw. „Changes in Morals since the Eighteenth Century“ angekündigt.

Als Philippe Ariès’ Studie zur Geschichte der Kindheit, L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime, Anfang der 1960er Jahre ins Englische übersetzt wurde, wurde ihr Autor auch international bekannt. In der Folge hielt sich Ariès wiederholt in den Vereinigten Staaten von Amerika auf und veröffentlichte 1975 ein vielbeachtetes Buch über die in westlichen Ländern verbreiteten Haltungen dem Tod gegenüber (Essais sur l’histoire de la mort en Occident).

Weitere Forschungsschwerpunkte Philippe Ariès‘ waren die Geschichte der Sexualität, die Demographie und die Mentalitätsgeschichte. Zentrale Thesen, die Ariès in seiner Geschichte der Kindheit vertrat, sind von anderen Historikern seit den 1980er Jahren wiederholt zurückgewiesen worden. Sie erwiesen sich gleichwohl als sehr populär und werden auch heute noch in wissenschaftlichen Publikationen verbreitet.

Schriften (Auswahl)

Ariès, Philippe (1975): Geschichte der Kindheit [im Original: L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime. Paris: Plon, 1960]. München: Hanser.

Ariès, Philippe (1980): Geschichte des Todes [im Original: L’Homme devant la mort. Paris: Le Seuil, 1977]. München, Wien: Hanser.

Ariès, Philippe, André Béjin und Michel Foucault. Hrsg. (1984): Die Masken des Begehrens und die Metamorphosen der Sinnlichkeit. Frankfurt am Main: S. Fischer.

Weiterführende Literatur und Quellen

[Anonym] (1955): Program of the Fourth International Congress for Sexual Equality, in: Periodical Newsletter. Nr. 7 (Oktober 1955), S. 1-3, hier S. 2.

Gros, Guillaume (2008): Philippe Ariès (1914–1984). Un traditionaliste non-conformiste. Villeneuve-d’Ascq: Presses Universitaires du Septentrion.

Jackson, Julian T. (2009): Living in Arcadia. Homosexuality, Politics, and Morality in France from the Liberation to AIDS. Chicago/London: University of Chicago Press, S. 81-82.