Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Forschungsprojekt: Das Sorgerecht lesbischer Mütter

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Bundesdeutsche Gerichte entzogen Müttern bis mindestens in die 1980er Jahre ihre Kinder – wenn den Gerichten bekannt war, dass die Mütter lesbisch lebten. Damit das nicht passierte, verbarg manche Mutter ihre Lebensgefährtin. Dies wurde in der ersten historischen Studie über lesbisches Leben im jungen Rheinland-Pfalz deutlich. Bei weiterer Forschung zeigte sich bald, dass es auch noch in den 1990er Jahren alltäglich war, wenn Gerichte lesbischen Müttern deren Kinder nahmen. Oder wenn damit gedroht wurde.

Bis heute wissen wir noch viel zu wenig über dieses Thema. Die rheinland-pfälzische Frauenministerin Anne Spiegel ermutigt Zeitzeuginnen, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen: »Wir wollen die Nachkriegszeit, in der lesbischen Frauen viel Leid und Unrecht geschah, erstmalig in der Bundesrepublik für unser Land Rheinland-Pfalz wissenschaftlich aufarbeiten. So kommt diesen Frauen eine späte Anerkennung und Rehabilitation zu, die die Gesellschaft ihnen bis heute schuldig ist.«

Das Land Rheinland-Pfalz beauftragte dieses Forschungsprojekt. Die Projektleitung hat das Institut für Zeitgeschichte übernommen. Geforscht wird von der Historikerin Dr. Kirsten Plötz, die bereits die erste Studie über Diskriminierung lesbischer Liebe in Rheinland-Pfalz 1946–1973 erstellt hat und seit Jahren über lesbische Geschichte in der jungen Bundesrepublik forscht. Die Fragen, die sich Kirsten Plötz im Rahmen des Projekts stellt, lauten unter anderem: Wann begann der Entzug der Kinder von Müttern mit lesbischen Beziehungen als übliche juristische Praxis? Wann endete dies? Auf welcher Grundlage? Von welcher Größenordnung müssen wir ausgehen? In welchem Maße hing ein möglicher Entzug der Kinder von konkreten Gerichten und Jugendämtern ab? Welchen Einfluss hatten Veränderungen im Ehe- und Familienrecht? Wie wirkte sich diese Lage auf Mütter mit lesbischen Beziehungen aus? Wie auf die Kinder?