Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Caspar Wirz, Prof. Dr. theol.

geb. 1.8.1847 (Zürich, Schweiz) gest. 14.8.1915 (Rom, Italien)

Der Schweizer Theologe Caspar Wirz wurde 1910 zum Obmann des WhK ernannt. Er war neben dem Niederländer Lucien Sophie Albert Marie von Römer (1873–1965) einer der ersten Obmänner des WhK mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands.

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Caspar Wirz (links) und Ferdinand Karsch-Haack. Aus Magnus Hirschfeld: Geschlechtskunde, 1926.
Der evangelische Pfarrer Caspar Wirz war zunächst in einer Landgemeinde im Schweizerischen Thurgau tätig, bevor er vorübergehend nach München zog. Hier lebte er zunächst mit seiner sieben Jahre älteren Ehefrau zusammen, die er kurz zuvor geheiratet hatte, doch trennte sich das Paar schon ein Jahr später.

Caspar Wirz wohnte längere Zeit in Mailand und in Rom und besuchte auf ausgedehnten Reisen weite Teile Europas und die Länder Nordafrikas, wo er Gespräche mit Strichern und ihren männlichen Freiern führte. Er begriff so, dass Homosexualität nichts Erworbenes, sondern angeboren war, und er setzte sich nun um so kritischer mit den Stellen in der Bibel auseinander, in denen es um Gleichgeschlechtliches ging. 1904 legte er unter seinem Klarnamen das Buch Der Uranier vor Kirche und Schrift vor, das zwei Jahre später im Verlag von Max Spohr in Leipzig in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung erneut erschien. 1903 war Wirz für seine Kirchenstudien zum Doktor honoris causa der Zürcher Universität ernannt geworden.

Caspar Wirz trat 1902 in Kontakt mit dem WhK, und er zählte schon bald zu den „bewährtesten und ältesten” Mitgliedern der Vereinigung. Bemerkenswert ist, dass er sich unter seinem Klarnamen im WhK betätigte und dass er der Vereinigung wiederholt größere Geldbeträge spendete.

Magnus Hirschfeld und Caspar Wirz trafen einander oft, ob in Berlin oder in Italien, wo Wirz als Hirschfelds kundiger Reiseführer auftrat. Das letzte Mal sahen sich die zwei Ende 1913 in Rom. Bei einem Spaziergang von der vatikanischen Gemäldegalerie bis zum Capitol zeigte Wirz Hirschfeld allerlei Stätten und Orte, die für die Geschichte der Homosexualität von Bedeutung waren, vom letzten Wohnsitz Michelangelos über die Grabstätte Kaiser Hadrians und dem Blumenmarkt, an dem Giordano Bruno hingerichtet wurde, bis hin zum Trajansforum. „Zieht sich für den Kenner nicht der Uranismus [so die zeitgenössische Bezeichnung für Homosexualität] wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte?“, fragte Wirz bei der Gelegenheit rhetorisch. Der ebenfalls anwesende Archäologe Paul Hartwig (1859–1919) soll geantwortet haben, dass das wohl auch für die Kulturgeschichte gelte, und Hirschfeld setzte hinzu, dass das die gesamte Naturgeschichte betreffe.

In Von einst bis jetzt hielt Hirschfeld über das Buch Der Uranier vor Kirche und Schrift fest, es sei die wertvollste Arbeit, die „unsere Bewegung“ Wirz verdanke: „Wenn irgendwo, so ringt hier ein Mensch mit seinem Gott. Jede Bibelstelle, die auf gleichgeschlechtliche Vorgänge Bezug haben könnte, wird von dem gelehrten Verfasser auf das Gewissenhafteste untersucht, und man hört ihn förmlich aufatmen, wenn er am Ende der Schrift ausruft: ‚Ich schließe, indem ich der festen Überzeugung Ausdruck gebe, der Uranier habe sich nicht gegen die heilige Schrift zu verteidigen, nicht gegen eine einzige Stelle derselben, nur gegen eine althergebrachte Auslegung.“

Schriften (Auswahl)

Wirz, Caspar (1905): Der Uranier vor Kirche und Schrift. Zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage. Leipzig: Max Spohr.

Weiterführende Literatur

Frischknecht, Beat (2007): Caspar Wirz – eine „unstete Natur”. Versuch eines Porträts des Schweizer Theologen, Historikers und WhK-Aktivisten, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten (Jg. 9), S. 38-70.