Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Wilhelm Jansen, Rittergutsbesitzer

geb. 14.4.1866 (Monschau, Eifel) gest. 8.2.1943 (Hausen)

Zur Biografie

Wilhelm Jansen wurde 1866 als Sohn eines Offiziers und Gutsbesitzers in Monschau (Eifel) geboren. Nach einem landwirtschaftlichen Studium in Bonn zog er nach Italien, um dort eine Lehre zu absolvieren, und ließ sich schließlich auf dem Rittergut Friemen bei Waldkappel, unweit von Kassel, in Hessen nieder. Dieses Gut baute er in den folgenden Jahren zu einem zentralen Treffpunkt der „Jugendbewegung“ aus, zum Hohen Meißner waren es von hier nur zehn Kilometer. Jansen wurde 1906 in den Vorstand des Alt-Wandervogel (AWV) gewählt, nachdem er bereits im Jahr zuvor die Leitung des Kreises Thüringen und die Geschäftsstelle Westdeutschland der Vereinigung übernommen hatte.

In den Wintermonaten hielt er sich meist in Berlin auf, wo er in Beziehung zu Magnus Hirschfeld und Hans Blüher (1888–1955) stand. Als Obmann des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) wurde er bereits 1904 genannt.

Als Anhänger der Bewegung für Lebensreform und Freikörperkultur legte Jansen auf dem Gut Friemen ein großes Luft- und Sonnenbad an, außerdem richtete er hier ein modernes Fotolabor ein, in dem er Bilder der jungen „Wandervögel“ entwickelte. Schon bald kam es zu Gerüchten, Jansen unterhalte sexuelle Beziehungen zu den minderjährigen Jungen, und 1908 wurde er von dem Offizier Günther von der Schulenburg (1865–1939) in der Posener Zeitung denunziert, er unterhalte einen „Päderastenclub aus Gymnasiasten“. Infolge des öffentlichen Skandals musste sich Jansen von allen Ehrenämtern im AWV zurückziehen. Er schloss sich dem Wandervogel, Deutscher Bund für Jugendwanderungen (DB) an, der sich zuvor vom AWV abgespalten hatte, wurde nach massiven Protesten aber auch von dieser Gruppierung wieder ausgeschlossen.

Wilhelm Jansen gründete Ende 1910 den Jung-Wandervogel (JWV), der mit einer Unterbrechung in den Jahren 1913–16 bis 1933 existierte. Jansen ließ aus eigenen Mitteln Freiluft- und FKK-Anlagen, etwa am Eichkamp in Berlin-Grunewald und den Ringkampfplatz „Palästra“ in Charlottenburg, anlegen. Gemeinsam mit Hermann Weber (1882–1955) baute er ab 1921 ebenfalls die Frankfurter Ortsgruppe des WhK auf.

Jansen trat am 1. April 1933 in die NSDAP ein, wurde aber im Frühjahr 1938 wegen „Geheimbündelei” wieder aus der Partei ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang soll er auch vier Monate im Gefängnis inhaftiert gewesen sein, die näheren Umstände sind aber nach wie vor unbekannt. Wilhelm Jansen starb im Alter von 77 Jahren im hessischen Hausen, unweit von Waldkappel.

Weiterführende Literatur

Geuter, Ulfried (1994): Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. Jungenfreundschaft und Sexualität im Diskurs von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Jugendpsychologie am Beginn des 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 42f.

Hergemöller, Bernd-Ulrich. Hrsg. (2010): Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Berlin/Münster: Lit, S. 606-607.

Kühl, Richard (2022): Vertrauensmänner*. Fragmente zur Frühgeschichte des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) in Frankfurt am Main, in: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 68, S. 13-26.

Ziemer, Gerhard (1969): Nordhessen und die deutsche Jugendbewegung, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte (Jg. 19), S. 337-367.