Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Johannes Gaulke, Schriftsteller

geb. 25.7.1869 (Kolberg, heute Kołobrzeg, Polen) gest. 17.11.1938 (Berlin)

Johannes Gaulke wird 1907 und 1910 als Mitglied des Obmännerkollegiums genannt.

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Porträtzeichnung Johannes Gaulke. Unbekannter Zeichner, o. J.
Die Angaben zu Johannes Gaulkes Leben und Werken sind nach wie vor sehr bruchstückhaft. Johannes Gaulke wurde 1869 in Kolberg (heute Kołobrzeg, Polen) geboren und war ein Jugendfreund Magnus Hirschfelds. Anfang der 1890er Jahre fuhr er zusammen mit Hirschfeld und einem befreundeten Bildhauer nach New York, wo er die Innenarchitekturfirma Jaeger & Gaulke gründete. Nach dem geschäftlichen Misserfolg kehrte er nach Berlin zurück und wurde als Schriftsteller und Übersetzer tätig.

Gaulke arbeitete von 1900 bis 1902 als Redakteur des Magazins für Litteratur und war 1901 der erste deutschsprachige Übersetzer von Oscar Wildes Dorian Gray. 1906 wurde er als „bekannter Essayist“ in dem biobibliografischen Standardwerk Führer durch die moderne Literatur von Hanns Heinz Ewers genannt, und ab 1909 gab er drei Bücher unter dem Reihentitel „Kultur- und Menschheitsdokumente“ heraus: Die ästhetische Kultur des Kapitalismus und Im Zwischendeck. Ein Kulturbild aus dem Auswandererleben von Gaulke selbst sowie Sexuelle Jugenderziehung. Briefe an eine Großmutter von Leo Berg.

In seinen Schriften zur Homosexualität bediente sich Gaulke auch des Pseudonyms „Ludwig E. West“. Ferdinand Karsch-Haack (1853–1936) war der erste, der annahm, „West“ und Gaulke seien ein und derselbe Autor. Neuere Forschungen untermauern diese Annahme, und heute kann etwa Gaulkes Aufsatz „Das homosexuelle Problem“ von 1901 als Vorentwurf zu „Wests“ Buch Homosexuelle Probleme von 1903 gelten.

Johannes Gaulke gehörte zu den Erstunterzeichnern der im Dezember 1897 an den Reichstag gerichteten Petition des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gegen den § 175 RStGB. Er veröffentlichte bereits um 1900 in den Jahrbüchern für sexuelle Zwischenstufen und war seit 1907 Obmann im WhK. 1918 war er der Verfasser eines Beitrags unter dem Titel „Jugenderinnerungen“, der aus Anlass des 50. Geburtstags von Magnus Hirschfeld entstand. Gaulke veröffentlichte auch in der von Adolf Brand (1874–1945) herausgegebenen Zeitschrift Der Eigene, so etwa die Beiträge „Die Homoerotik in der Weltliteratur“ (1903) und „Erotik und Patriotismus“ (1927).

Johannes Gaulke war seit 1910 mit Marie Preiss (1875–nach 1938) verheiratet. Erich Mühsam (1878–1934) beschrieb Gaulke in seinen „Unpolitischen Erinnerungen“ Namen und Menschen, die zwischen 1927 und 1929 entstanden, als „alten Freund“ und „Stirnerianer“.

Schriften (Auswahl)

Gaulke, Johannes (1901): Das homosexuelle Problem, in: Stimmen der Gegenwart, Nr. 12, S. 344-349.

[unter dem Pseudonym] West, Ludwig E. (1903): Homosexuelle Probleme. Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt. Berlin: Carl Messer & Co.

Gaulke, Johannes (1918): Jugenderinnerungen. In: Vierteljahreshefte des Wissenschaftlich-humanitären Komitees während der Kriegszeit (Jg. 18), Heft 2-3, S. 13–16.

Weiterführende Literatur

Bauer, J. Edgar (2003): Geschlechtliche Einzigkeit. Zum geistesgeschichtlichen Konnex eines sexualkritischen Gedankens, in: Capri. Zeitschrift für schwule Geschichte, Nr. 34, S. 22-36.

Hergemöller, Bernd-Ulrich. Hrsg. (2010): Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Berlin/Münster: Lit, S. 382-383.