Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Christina von Schweden, schwedische Königin

geb. 7. oder 8.12.1626 (Stockholm, Schweden) gest. 19.4.1689 (Rom, Italien)

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Christina von Schweden, Porträt von Sébastien Bourdon, 1653. Schwedisches Nationalmuseum, Stockholm.
Christina (eigentlich Kristina) von Schweden war von 1632 bis 1654 Königin von Schweden. Sie wurde am 7. oder 8. Dezember 1626 als Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) und seiner Frau Maria Eleonora von Brandenburg (1599–1655) in Stockholm geboren.

Christina von Schweden übernahm 1644 im Alter von 18 Jahren die Regierungsgeschäfte, nachdem ihr Vater bereits 1632 auf dem Schlachtfeld bei Lützen südwestlich von Leipzig (im heutigen Sachsen-Anhalt) gestorben war. Sie erwies sich als energische und bestimmte Herrscherin, schloss unter anderem den Friedensvertrag ab, mit dem der Dreißigjährige Krieg beendet wurde, führte einen prunkvollen Hof und machte sich als Förderin der Künste und Wissenschaften weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus einen Namen.

Über ihr Privatleben gab es schon zu ihren Lebzeiten Spekulationen. Belegt ist, dass Christina von Schweden 1644 eine langjährige Liebesbeziehung mit ihrer Hofdame Ebba Sparre (1626–1662) einging, die bis zu Sparres Tod währte. 1654 dankte Christina von Schweden nach zehnjähriger Regierungszeit zugunsten eines Vetters ab. Offiziell begründete sie ihren Entschluss damit, dass sie nicht heiraten wolle. Sie verließ Schweden und reiste in Männerkleidern durch Dänemark und die deutschen Länder nach Brüssel, wo sie zunächst heimlich zum Katholizismus übertrat – ihr öffentliches Glaubensbekenntnis erfolgte wenig später in Innsbruck. Sie ließ sich schließlich in Rom nieder, wo sie am 19. April 1689 auch verstarb.

Christinas Verhältnis zur traditionellen Frauenrolle ist lange ein Thema der Forschung gewesen. Angeführt wurden immer wieder Christinas ausgeprägte Abneigung gegen die Institution Ehe und eine gewisse Frauenfeindlichkeit, die in ihren Schriften zum Ausdruck kommt. Die Vermutung, bei Christinas Geburt habe man sich in ihrer Geschlechtszuweisung geirrt, und der Umstand, dass sie als unverheiratete Frau nach ihrer Abdankung ein ungewöhnlich freies Leben führen konnte, haben dazu beigetragen, dass einige Forscher in ihr einen „Pseudo-Hermaphrodit“ sahen, also einen Menschen, der äußerlich gesehen mit den für sein Geschlecht typischen Genitalien geboren wurde, hormonell aber dem anderen Geschlecht angehörte. Diese These stellte 1937 etwa der schwedische Gynäkologe Elis Essen-Möller (1870–1956) auf.

Andere Forscher haben Christina von Schweden eine „Sexualneurose“ nachgesagt, was unter anderem dazu führte, dass ihr Grab 1965 unter der Leitung des schwedischen Anatomen Carl-Herman Hjortsjö (1914–1978) geöffnet wurde. Hjortsjö wies 1966 in einem Buch über die Graböffnung darauf hin, dass Christina von Schweden nach den an ihrem Skelett durchgeführten Untersuchungen eine „ganz normale Frau“ gewesen sei. Hjortsjö zufolge ließen sich die Schlussfolgerungen Essen-Möllers wissenschaftlich nicht belegen.

Für Magnus Hirschfeld war Christina von Schweden vor allem ein Paradebeispiel dafür, dass nicht alle Frauen „Margarethen“ seien, ebenso wenig wie alle Männer „Fauste“. Für Hirschfeld vereinigten sich in jedem Individuum männliche wie weibliche Anteile menschlicher Eigenschaften, wodurch jeder Mensch in einem ganz eigenen Mischungsverhältnis eine „Zwischenstufe“ sei. Hirschfeld betonte, es gebe Frauen, „welche wie Christine von Schweden an Energie und Großzügigkeit, wie Sonja Kowalewsca an Abstraktheit und Tiefe, wie viele moderne Frauenrechtlerinnen an Aktivität und Ehrgeiz, welche an Vorliebe zu männlichen Spielen wie Turnen und Jagen, an Härte, Rohheit und Tollkühnheit den Mann hoch überragen. Es giebt nicht eine spezifische Eigenschaft des Weibes, die sich nicht auch gelegentlich beim Mann, keinen männlichen Charakterzug, der sich nicht auch bei Frauen fände.“

Weiterführende Literatur

Herzer, Manfred (2017): Magnus Hirschfeld und seine Zeit. Berlin/Boston: De Gruyter, S. 53 und 94.

Hirschfeld, Magnus (1896): Sappho und Sokrates oder Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts? Von Dr. med. Th. Ramien. Leipzig: Max Spohr, S. 27.

Hirschfeld, Magnus (1899): Die objektive Diagnose der Homosexualität. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 1, S. 4-35, hier S. 21.

Hjortsjö, Carl-Herman (1967): Drottning Christina. Gravöppningen i Rom 1965. En kulturhistorisk och medicinsk-antropologisk undersökning. Lund: Corona Förlag.

Hoechstetter, Sophie (1908): Christine, Königin von Schweden in ihrer Jugend, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (Jg. 7), S. 169-190.

Rodén, Marie-Louise (2018): Kristina, drottning, in: Svenskt kvinnobiografiskt lexikon.

Schröder, Hiltrud (1988): Christina von Schweden, auf Fembio Frauen.Biographieforschung.

Stolpe, Sven (1962): Königin Christine von Schweden („Drottning Kristina“). Frankfurt am Main: Verlag Knecht.

Zahn, Leopold (1953): Christine von Schweden. Königin des Barock: Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch.