Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Ellen Bækgaard, Zahnärztin

geb. 14.11.1895 (Silkeborg, Dänemark) gest. 1997 (Ort nicht belegt)

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Ellen Bækgaard in „Paradiset er ikke til salg“ (Teit Ritzau, 1985. Produktion: Statens Filmcentral/Saga Video & Kortfilm).
Ellen Bækgaard wurde am 14. November 1895 im dänischen Silkeborg als Ellen Lebrecht Nielsen geboren. Ihre Eltern waren der Druckereimitarbeiter Valdemar Nielsen und dessen Frau Bertha Vilhelmine Auguste Lebrecht. Ellen Bækgaard ließ sich zur Zahnärztin ausbilden und heiratete am 14. Juli 1924 in Aalborg den Arzt Peder Valdemar Bækgaard (1889–1933).

Wann genau und wie Ellen Bækgaard in Kontakt mit Magnus Hirschfeld gekommen ist, ist nicht belegt. Offenbar war sie in späteren Jahren vor allem eine Freundin von Hirschfelds Lebenspartner Karl Giese (1898–1938). Ellen Bækgaard erzählte Manfred Herzer in den 1980er Jahren, dass Giese einst als 15-Jähriger einen Vortrag Hirschfelds gehört und ihn danach aufgesucht habe. Giese sei von vielen als „Pflegesohn“ Hirschfelds betrachtet worden, und er selbst habe ihn auch „Papa” genannt. Bækgaard teilte aber mit, dass Giese in Wirklichkeit „die Frau des Hauses“ war. Damit Giese in den frühen 1930er Jahren in Wien das Abitur nachholen und sich dann an der Universität ausbilden lassen konnte, zahlten ihm Ellen Bækgaard, Magnus Hirschfeld und der australisch-britische Arzt und Sexualreformer Norman Haire (1892–1952) zu drei gleichen Teilen ein monatliches Stipendium.

Als Ellen Bækgaard Magnus Hirschfeld kennenlernte, erlebte sie Karl Giese als „das absolute Zwischenglied“ zwischen ihm und der Umwelt. Hirschfeld hatte Giese zum Archivleiter ausbilden lassen und ihn zum Sekretär des Instituts für Sexualwissenschaft und seiner selbst gemacht. An Hirschfeld als Institutsleiter erinnerte sich Bækgaard als an einen „eitl[en] Mann“, der sich seiner Bedeutung bewusst gewesen sei. Wenn er auswärts war, habe er immer in den besten Hotels gewohnt und es angemessen gefunden, dass man ihm Prozente gewährte. Auch habe er große Feste veranstaltet, „bei denen nahezu keine Frauen anwesend waren.“

Ellen Bækgaard hatte noch 1985 gut die Räumlichkeiten und einzelne Begebenheiten vor Augen, die sie vor 1933 im Institut für Sexualwissenschaft erlebt hatte. Auch wenn sie behauptete, es sei immer schwierig gewesen, zu Magnus Hirschfeld selbst zu kommen, wusste sie gleichzeitig von drei Situationen zu berichten, in denen Besucher sofort zu Hirschfeld vorgelassen wurden.

Da war zum einen Karl Giese, der Hirschfeld (wohl um 1914) noch als Jugendlicher aufsuchte. Zum anderen erinnerte sich Ellen Bækgaard an ein Ereignis während des vierten Kongresses der Weltliga für Sexualreform (WLSR), der mit etwa 2.000 Aktiven vom 16. bis zum 23. September 1930 in Wien stattfand. „Es war eine geschlossene Gesellschaft in einem reservierten Lokal, aber am Abend kam eine Dame herein, die wir nie vorher gesehen hatten. Sie wurde sofort zu Magnus Hirschfeld geführt, der ihr viel Freundlichkeit und Interesse zeigte. Sie war, was man damals eine ‚noble‘ Dame nannte, sowohl im Aussehen wie im Benehmen, und wurde von allen mit ‚gnädige Frau‘ angesprochen.“ Erst nachdem „die Dame” gegangen war, erfuhr Bækgaard Näheres über sie: Sie war „ein hochstehender Ministerialbeamter! Er war verheiratet mit einer sehr verständnisvollen Frau und sie hatten zwei kleine Kinder.“ Einen Namen nannte Ellen Bækgaard leider nicht.

Ein anderes Mal erlebte sie etwas Ähnliches, als sie zu Besuch bei Karl Giese in Berlin war. Die „Hausdame“ im Institut für Sexualwissenschaft, Helene Helling, meldete – vermutlich über das Haustelefon – „daß eine Dame auf dem Weg sei, um zu einer Verabredung zu Magnus Hirschfeld zu kommen.“ Wiederum ohne einen Namen zu nennen, führte Bækgaard aus, die Besucherin habe „eine hübsche und sehr dunkle Altstimme“ gehabt, gleichwohl sei sie „für eine Dame eine seltsame Erscheinung“ gewesen: „Ich vergesse sie niemals. Es war in der Zeit um 1930 und da sah eine Dame so nicht aus. Sie war sehr groß und kräftig […] – das war an sich nicht merkwürdig – aber sie war ‚aufgedonnert‘ und am hellichten Tag stark geschminkt. In den Ohren hatte sie große prunkvolle Ohrringe, und sie trug blitzenden Schmuck und sehr farbige, aber elegante Kleidung. Sie sah unglaublich teuer aus. Etwas Ähnliches – aber nur ein[en] Abglanz von ihr – habe ich in Monte Carlo gesehen.“ Karl Giese erzählte Ellen Bækgaard später, dass die Dame „Rittmeister war! Und im aktiven Dienst!! Es war ja strafbar damals, Transvestit zu sein. So ein Mut!“

Ellen Lebrecht Bækgaard starb 1997 im Alter von 102 Jahren.

Weiterführende Literatur

Bækgaard, Ellen (1985): Das Sexualwissenschaftliche Institut in Berlin. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Nr. 5, S. 32-35.

Hertoft, Preben und Teit Ritzau (1984): Paradiset er ikke til salg. Trangen til at være begge køn. Kopenhagen: Lindhardt og Ringhof.

Film

Ritzau, Teit (1985): Paradiset er ikke til salg (62 Min.),auf der Streamingseite des Dänischen Filminstituts hier.