Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Dennis Altman: Die Welt, die wir gewonnen haben

Schwule, Lesben, Trans* & Inter: Die Kämpfe gegen Verfolgung, für gleiche Rechte – eine Bilanz zum 50. Geburtstag von „Stonewall“

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Unser Verständnis und unsere Erfahrung von Sexualität und Geschlecht haben in den letzten 50 Jahren bemerkenswerte Änderungen erfahren. Im überwiegenden Teil Europas, den beiden Amerikas und in Australasien ist es heute viel leichter, offen homosexuell oder als trans* zu leben, als Magnus Hirschfeld sich dies hätte vorstellen können. Gleichzeitig kommt es in weiten Teilen der Welt zu verstärkten Feindseligkeiten und Verfolgungen von Menschen, die sich nicht den allgemein akzeptierten geschlechtlichen und sexuellen Normen anpassen, und der Kampf um queere Rechte ist Anlass für scharfe Polarisierungen in internationalen Organisationen geworden.

Für uns, die wir in Ländern leben, die in den letzten 50 Jahren bemerkenswerte Fortschritte erlebt haben, besteht eine große Herausforderung darin, LSBTI* in Gesellschaften zu unterstützen, in denen sie wegen ihrer Sexualität nach wie vor vergewaltigt, gefoltert und ermordet werden.

Dennis Altman war Professor für Politikwissenschaft an der La Trobe University in Melbourne, Australien. Seit seinem ersten Buch Homosexual: Oppression & Liberation (1972) hat er sich intensiv mit Fragen zur Sexualpolitik beschäftigt, zuletzt zusammen mit Jonathan Symons in Queer Wars. Erfolge und Bedrohungen einer globalen Bewegung (dt. Übersetzung 2017). Altman ist unter anderem Regierungsrat in der International AIDS Society und Schirmherr der Organisation Australian Lesbian and Gay Archives (ALGA).

Rainbow Lectures in Berlin
Magnus Hirschfeld zum 150. Geburtstag: Vorträge zu Fragen der queeren Zeit

Keine soziale Bewegung kann heute auf eine ähnlich wechselvolle Geschichte zurückblicken wie die Bürgerrechtsbewegung, die gemeinhin unter dem Kürzel LSBTI* verstanden wird: Es ist die Bewegung des Aufbruchs von lesbischen Frauen, schwulen Männern, Trans*- und Inter-Menschen, die, allen bitteren Rückschlägen zum Trotz, eine fast globale Erfolgsgeschichte aufweist. Ihre größten Erfolge konnten indes erst in den letzten Jahrzehnten eingefahren werden. Doch noch immer harren einige Ansprüche der Bewegung ihrer Verwirklichung.

Im Mai 2018 wäre der Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld 150 Jahre alt geworden, und im Juli 2019 ist es 100 Jahre her, dass sein Institut für Sexualwissenschaft in Berlin gegründet wurde. Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (MHG) veranstaltet zusammen mit der Initiative Queer Nations (IQN) von November 2018 bis Juni 2019 eine Vortragsreihe, die aus sechs Lectures besteht: sechs Interventionen zur Würdigung des Erbes Hirschfelds, des nicht einzigen, aber bis zur NS-Machtübernahme in Deutschland prominentesten Kämpfers für sexuelle Selbstbestimmung und politische wie gesellschaftliche Anerkennung von Menschen aus dem ‚queeren‘ Spektrum.

Es sind sechs Vorträge von Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Bürgerrechtler*innen aus aller Welt: Ulrike Lunacek (Österreich), Katarzyna Remin (Polen), Anna Hájková (Großbritannien), Patrick Henze (Deutschland), Aeyal Gross (Israel) und Dennis Altman (Australien).

Sie alle markieren gedankliche und zur politischen Praxis einladende Perspektiven: gesellschaftspolitische Momentaufnahmen, Rückblicke auf die Vergangenheit und Ausblicke in die Zukunft. Im Fokus stehen dabei die Lebenswelten von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen heute und morgen. Untersucht wird, inwiefern sich ihre rechtliche und soziale Situation seit Hirschfelds Zeiten verändert hat – und wie, vor allem in globaler Hinsicht, Möglichkeitsräume von und für ‚queere‘ Menschen noch erweitert werden können.