Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

E2H

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Angesichts der öffentlichen Diskussion um das Queere Kulturhaus – Elberskirchen-Hirschfeld-Haus (E2H) hatten wir die hier nachstehend wiedergegebene Erklärung zunächst den (noch) am Projekt eines Queeren Kulturhauses (E2H) als Grundlage für die Diskussion um die Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit zugestellt.
Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass es sinnvoll und notwendig ist, die zahlreichen in Berlin vorhandenen LSBTIQ*-Sammlungen und Archive an einem Ort gemeinsam nutzbar zu machen. Das wird allerdings nur auf einer neuen Grundlage möglich sein, nachdem schon vor dem Spinnboden die Forschungsstelle Kulturgeschichte der Sexualität, das Lili-Elbe-Archiv und das Schwule Museum ihre Mitarbeit aufgekündigt haben. Für uns steht die Sicherung und nachhaltige Bereitstellung aller Berliner LSBTIQ*-Sammlungen und -Archive für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit im Zentrum – ein kulturgeschichtlicher Schatz, den wir erhalten müssen und den Berlin bewahren sollte.

Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft hat mit großem Bedauern – und mit Verständnis – zur Kenntnis genommen, dass der Spinnboden – Lesbenarchiv und Bibliothek seinen Austritt aus dem Verein und dem Projekt Queeres Kulturhaus – Elberskirchen-Hirschfeld-Haus erklärt hat. Angesicht der unerträglichen Wortwahl in der Veranstaltungsankündigung der IQN – weitab von dem, wofür einst die Arbeit Magnus HIrschfelds stand und wofür die Arbeit der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft heute steht – distanzieren wir uns scharf von dieser Veranstaltung eines Mitgliedsprojekts des Queeren Kulturhauses E2H.

Mit dem Austritt des Spinnbodens ist die zentrale Grundidee des Projektes in Frage gestellt, nämlich die in Berlin vorhandenen wichtigen Sammlungen und Archive der LSB-TIQ*-Bewegung an einem Ort zusammenzuführen und – unter Gewährleistung der Selbständigkeit und Autonomie der einzelnen Einrichtungen hinsichtlich ihrer Sammlungstä-tigkeit und ihrer Außendarstellung – durch die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur und Lesesaal wesentlich verbesserte Bedingungen für die Forschung und alle Nut-zer*innen zu schaffen. Zugleich sollte durch die Integration weiterer Organisationen ins-besondere aus dem Bildungsbereich in das Queere Kulturhaus ein neuer Kreis von Nutzer*innen erschlossen werden und das weit über Berlin und Deutschland hinaus reichende Angebot der LSBTIQ* Archive durch die gemeinsame Präsentation in seiner Bedeutung für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.

Unabhängig vom aktuellen Anlass machen der Austritt des Spinnbodens – und der bereits früher erfolgte Rückzug der Forschungsstelle Kulturgeschichte der Sexualität an der Humboldt-Universität Berlin – deutlich, dass die derzeitige Konzeption und insbesondere die aktuelle Projektplanungen des Queeren Kulturhauses einer selbstkritischen Korrektur bedürfen: Das Projekt Queeres Kulturhaus (E2H) wird notwendig scheitern, wenn von den zentral beteiligten Einrichtungen bereits im Vorfeld der Errichtung des Queeren Kulturhauses von Jahr zu Jahr zahlreiche Aktivitäten erwartet werden, die sie neben ihren eigenen – zudem zumeist ehrenamtlich erfüllten – Aufgaben gar nicht wahrnehmen können.

Von einer Einrichtung wie dem Landesarchiv Berlin oder auch den Öffentlichen Bibliotheken erwartet niemand, dass sie neben ihrem Betrieb und ihren Aufgaben zusätzliche Veranstaltungen („Events“) anbieten, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, soweit sich diese nicht aus ihrem engeren Arbeitsgebiet ergeben. Gleiches muss für die Sammlungen und Archive der LSBTIQ* Community gelten: Sie sind Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen, die ihre Sammlungen dem interessierten Publikum in bestmöglichster Weise zugänglich machen sollen und – im Falle der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft – vorrangig und ehrenamtlich eigene sozial- und wissenschaftshistorische Forschungen betreiben. Alles was darüber hinausgeht an Veranstaltungen ist nur durch zusätzliche Mittel und zusätzliches Personal möglich, und auch dann nur in enger Anbindung an die satzungsmäßigen Aufgaben der beteiligten Organisationen.

Die Gestaltung eines öffentlichkeitswirksames Programmangebot des Queeren Kulturhauses – das nach der Etablierung des Hauses unabdingbarer Bestandteil des E2H sein muss – kann nicht bereits im Vorfeld von den beteiligten Einrichtungen erbracht werden. Sinnvoller – und notwendig für die künftige Funktion des Hauses – wäre es, vorhandene För-dermittel zur Ertüchtigung der Infrastruktur dieser Einrichtungen einzusetzen. Konkret würde dies bedeuten:
• Förderung zusätzlicher Personalstellen bei allen beteiligten Projekten, damit die künftig anfallenden Arbeiten im Kontext des Queeren Kulturhauses auch bewältigt werden können
• Förderung eines Berliner Pilotprojekts im Rahmen von QueerSearch zur Entwicklung eines Metakatalogs der deutschsprachigen LSBTIQ*-Sammlungen und Archive. Dieser Katalog ist eine wesentliche Voraussetzung für die effektive Nutzung der Bestände der beteiligten Einrichtungen durch Forschung und Bildung.

Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft hält an dem Sinn und der Notwendigkeit einer räumlichen Zusammenführung der Berliner LSBTIQ*-Sammlungen und Archive fest. Wir schätzen die in den letzten Jahren intensiv gewachsene freundschaftliche Zusammenarbeit insbesondere mit dem Spinnboden und dem FFBIZ sehr und möchten diese Kooperation gern und dringend auch in einem gemeinsamen Haus fortsetzen. Ebenso halten wir die enge Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und mit den LSBTIQ*-Bildungseinrichtungen für sinnvoll und notwendig. Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft wird sich an dem Projekt eines Queeren Kulturhauses (E2H) aber nur dann weiter beteiligen, wenn künftig die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Archive und Sammlungen im Zentrum der Förderung und der Aktivitäten des Vereins der Freundinnen und Freunde eines Queeren Kulturhauses (E2H) stehen. Andernfalls werden wir mit dem Spinnboden und dem FFBIZ nach anderen gemeinsamen Lösungen suchen.

Berlin, den 3.3.2020