Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Dinge, die wir suchen – und solche, die wir gefunden haben

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Bei der Plünderung des Instituts für Sexualwissenschaft gingen 1933 Bibliothek, Archiv und Sammlungen verloren – allerdings nicht komplett. Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft bemüht sich darum, die in alle Welt verstreuten Bücher und Sammlungsgegenstände zu identifizieren und – wenn möglich – nach Berlin zurückzubringen. Hier stellen wir einige Bücher und Objekte vor, die wir aktuell suchen – und geben ein paar Beispiele von wiedergefundenen Exemplaren bzw. von Büchern, die wir erworben oder die uns geschenkt wurden und seitdem unsere Sammlung bereichern.

Gesucht (1) – August Fleischmanns Schriften

Der Münchener Schwulenaktivist August Fleischmann (1859–1931) hat zahlreiche Broschüren publiziert, von denen er acht 1902 zu einem Sammelband mit dem Titel „Vita homosexualis” zusammengefasst hat. Ein Exemplar dieses Bandes befand sich in der Bibliothek des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) und ist später in die Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft übernommen worden, wie man an den gestempelten Signaturen „SF” und „K 1212” erkennt. Nach der Plünderung des Instituts ist dieser Band in den Besitz der Preußischen Staatsbibliothek gekommen und wurde dort katalogisiert (und sekretiert). Woher der Bleistiftvermerk „Laut Verordnung des Reichspräsidenten vom 28.2.1933 zur Vernichtung bestimmt” stammt, lässt sich nicht mehr feststellen. In der Preußischen Staatsbibliothek waren solche Vermerke nicht üblich.

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Über das weitere Schicksal des Buches teilte uns die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz mit, dass „die Signaturengruppe Ka bis Ky 1943 in das Schloss Fürsteneich in Schlesien (heute: Zabór, Polen) ausgelagert [wurde]. Das Schloss wurde von der Roten Armee geplündert und die Bücher zum größten Teil in die Sowjetunion abtransportiert. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass kleinere Teile abgesplittert in Polen verblieben und jetzt im Handel auftauchen.” Genau das ist hier geschehen: 2013 bot ein polnisches Antiquariat diesen Band zum Kauf an: Vita homosexualis.

Der Band enthält insgesamt acht Broschüren, deren Titelseiten hier zu sehen sind:

Gesucht (2) – Die Tür eines Männerhauses aus Neuguinea

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Zusammen mit mindestens einem weiteren ethnologischen Sammlungsgegenstand erhielt das Institut für Sexualwissenschaft von Dr. Hendrik Cornelius Rogge (1877–1953) die Tür eines Männerhauses aus Neuguinea, von der hier ein Detail abgebildet ist – nach dem Druck im Bilderteil der Geschlechtskunde von Magnus Hirschfeld. Magnus Hirschfeld hat diese Tür bereits 1914 vor der Ärztlichen Gesellschaft für Sexualwissenschaft präsentiert (Zeitschrift für Sexualwissenschaft, 1 (1914/15) 2, S. 79).

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Dieses Stück aus der Sammlung des Instituts befand sich 1936 in Nizza. Der ebenfalls im französischen Exil lebende Maler, Komponist und Pianist Henri Nouveau (Heinrich Neugeboren, 1901–1959) notierte dazu am 14. Februar 1936 in seinem Tagebuch: „Solange ich nicht ins Erdgeschoss umzog, schlief ich oben, im kl. gelben Zimmer, auf dem harten schmalen Analysier-Divan unter der prachtvollen Eingangstür eines melanesischen Männerhauses, welche VB später zurückgeben mußte” (aus dem unveröffentlichten „sex. Tagebuch”, zitiert nach: Antiquariat Bernard Richter: Sexualwissenschaft V perversiones. Berlin, Baden-Baden 1995, bei Nr. 203) .

„VB” konnte als Victor Bauer (1902–1959) identifiziert werden. Was weiter mit dieser Tür geschah, ist unbekannt, insbesondere an wen sie „zurückgegeben werden mußte”. Völlig unbekannt ist das Schicksal der hier ebenfalls abgebildeten phallischen Figur.
Wir bitten in beiden Fällen um Hinweise an unsere E-Mail Adresse

Gefunden – Gustav Jäger: Mein System

Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin überprüft seit längerem die Provenienz ihrer Bestände und bemüht sich um Restitution an die rechtmäßigen Eigentümer, soweit das noch möglich ist. Ende 2011 fand sich dabei ein Band aus der Bibliothek Magnus Hirschfelds, der später in die Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft übergegangen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte das Buch auf nicht mehr vollständig nachvollziehbaren Wegen mit anderen Büchern in den Bestand der Berliner Stadtbibliothek. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung HirschFeldForschung im Schwulen Museum am 6. Dezember 2011 übergab die damalige Direktorin der ZLB, Frau Dr. Claudia Lux, das Buch der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu treuen Händen als Dauerleihgabe.

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Weitere Fundstücke

Otto Schmidt-Gibichenfels: Wen soll ich heiraten?

„Wen soll ich heiraten?“, fragte 1907 der Lehrer, Publizist und Rassenhygieniker Otto Schmidt-Gibichenfels (1861–1933) in seinem gleichnamigen Buch und versuchte dort sogleich eine „neue Antwort auf eine alte Frage“ zu geben. Uns interessiert an dieser Stelle allerdings etwas ganz anderes: Durch welche Hände ist Schmidt-Gibichenfels‘ Buch zwischen 1933 und heute gegangen? Denn durch einen nächtlichen Hinweis von unserem guten Freund Olov Kriström in Göteborg konnten wir kürzlich ein Exemplar von Schmidt-Gibichenfels‘ Schrift erwerben.

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Ein Geschenk: Aus dem Institut für Sexualwissenschaft

Anfang Dezember 2022 besuchte uns Yvonne de Bordes, Museumsmitarbeiterin in Berlin, und überreichte uns ein großzügiges Geschenk: Es handelt sich um den Roman Die Magie des Doktor Morinon von Heinrich Stadelmann, der im Jahr 1925 erschienen war. Frau de Bordes hatte das Buch vor einigen Jahren aus einem Altpapiercontainer in ihrer Nachbarschaft gezogen, nachdem ihr der Stempel des Instituts für Sexualwissenschaft auf dem Cover ins Auge gefallen war. Auch im Inneren trägt das gut erhaltene Buch entsprechende Stempel.

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Überraschungsfund: Aus dem Institut für Sexualwissenschaft

2021 hat die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft die Bibliothek des einstigen Frankfurter Instituts für Sexualwissenschaft (1973–2006) erworben. Zusätzlich haben wir aus dem Besitz von Volkmar Sigusch eine große Zahl weiterer Bücher zur Sexualwissenschaft, Medizin und Kulturgeschichte übernommen. Die meisten dieser Bücher sind älteren Datums, was sie für uns natürlich noch wertvoller und interessanter macht. Nach dem Umzug in unsere neuen Räume haben wir damit begonnen, diesen zweiten, ehedem privaten Buchbestand sukzessive in unsere Sammlung einzuarbeiten – und siehe da: Uns ist ein Buch in die Hände gefallen, das nicht nur den Stempel des Instituts für Sexualwissenschaft trägt, sondern auch einen handschriftlichen Eintrag Friedrich Hauptsteins.

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Aus der Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft

Als wir am 1. Juli 2022 zusammen mit rund dreißig guten Freunden und Freundinnen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft die Eröffnung unserer neuen Büro-, Archiv- und Bibliotheksräume feierten, wurden wir reich beschenkt. Hans Hengelein, seit 1981 vielfältig in der Schwulenbewegung aktiv, ab 1992 Referent der Landesregierung in Niedersachsen für Schwule, HIV und AIDS sowie von 2015 bis zu seiner Berentung 2019 für den Bereich Queer zuständig, bedachte uns mit einem Exemplar des Bilderteils von Magnus Hirschfelds Geschlechtskunde (1930), das im Inneren mehrfach die Stempel des Instituts für Sexualwissenschaft aufweist. Hans Hengelein hatte das Buch in den 1980er Jahren im Antiquariat Düwal in der Berliner Schlüterstraße für 500 DM erworben.

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Neuzugang in unserer Sammlung

Am 31. Januar 2022 erfuhr unsere Bibliothek einen wunderbaren Neuzugang. An diesem Nachmittag erschien der Kunst- und Literaturwissenschaftler Hartmut Pätzke in unserer Geschäftsstelle und beschenkte uns mit dem 1923 erschienenen Band Gotische Gedichte von Kurt Gauger (1899–1957). Der Band stammt aus dem Bestand des 1933 geplünderten Instituts für Sexualwissenschaft, trägt eine Widmung des Herausgebers Werner Achelis (1897–1982) an Magnus Hirschfeld, vielfältige Besitzstempel des Instituts und einen handschriftlichen Eintrag seines Zwischenbesitzers von 1933.

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Neu in unserer Bibliothek

Anfang Dezember 2020 erreichte uns ein schönes Geschenk aus der Universitätsbibliothek Greifswald: Es handelt sich um Paul Engelens Geistesschulung aus dem Jahre 1923, das den Bibliothekaren im Zuge von Bestandsumarbeitungen aufgefallen war, weil es den Stempel der „Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft / Dr. Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ trägt. Der verantwortliche Greifswalder Bibliotheksdirektor Dr. Peter Wolff hatte keinen Zweifel, wer der rechtmäßige Besitzer dieses Buches war und sein sollte: Nach der Zerstörung und Zerschlagung der Bibliothek des Berliner Instituts für Sexualwissenschaft 1933 „restituierte“ er es an uns.

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Aus dem alten Institutsbestand

Am 12. September 2016 besuchte Thomas Jende unsere Büroräume und schenkte uns ein Buch aus dem Bestand des Instituts für Sexualwissenschaft. Es handelt sich um die Studie Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung des in Odessa geborenen deutschen Gynäkologen Carl Heinrich Stratz (1858–1924) von 1904 (dritte, völlig umgearbeitete Auflage). Herr Jende hatte das Buch kurz zuvor in einem Schöneberger Antiquariat gekauft und erst zu Hause festgestellt, dass es mehrere Stempel des Instituts für Sexualwissenschaft enthielt.

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Ernst Haeckels Anthropogenie

Auf einen Hinweis hin, den wir aus Schweden erhielten, konnte die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft kürzlich ein seit über 80 Jahren verschollenes Buch aus dem Originalbestand des Instituts für Sexualwissenschaft erwerben. Es handelt sich um den ersten Band der Anthropogenie Ernst Haeckels (6. Auflage, 1910). Auf der Innenseite des Buchdeckels trägt der Band den Stempel der Dr. Magnus Hirschfeld-Stiftung. Damit konnten wir unsere Sammlung von Schriften aus dem alten Institutsbestand um ein weiteres Exemplar ergänzen, so dass wir jetzt über genau 31 Originaltitel aus dem Besitz des Instituts für Sexualwissenschaft verfügen. Über den Hinweis aus Schweden haben wir uns sehr gefreut. Deshalb senden wir hier ein herzliches „Tack så mycket!“ nach Göteborg.

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Neuzugang

Ende Mai 2016 hat uns Heike Bernhardt mit einem Buch beschenkt. Es handelt sich um die Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie von Sigmund Freud (4. Auflage, 1920). Dr. Heike Bernhardt – Ärztin, Psychotherapeutin und Autorin von Schriften unter anderem zur Geschichte der Psychiatrie im Nationalsozialismus – hatte das Buch Ende der 1990er Jahre von Prof. Alfred Katzenstein (1915–2000) geschenkt bekommen. Der wiederum hatte es zwanzig Jahre zuvor in einem Antiquariat in Prag gekauft.

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