Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Lichtkämpfer, Sonnenfreunde und wilde Nackte

Eine Ausstellung zur Geschichte der Freikörperkultur in Deutschland

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Heute, zum Ende des Jahrhunderts, gehört FKK zum sommerlichen Alltag nicht nur an vielen Badestellen, sondern auch in den innerstädtischen öffentlichen Parks und Schwimmbädern. Die Inbesitznahme öffentlicher Räume durch die Nackten wird in den Medien zwar in jeder Saison kontrovers diskutiert, aber ernstlich Anstoß wird nicht mehr genommen. Im Gegensatz zur “verhüllten Gesellschaft” des Kaiserreichs, in der Nacktheit in jeder Form als Schamlosigkeit und sittliche Gefährdung betrachtet wurde, hat FKK heute alles Skandalöse verloren.

In der Ausstellung wird die Geschichte der FKK in Deutschland von ihren Anfängen zu Beginn des Jahrhunderts bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Im Mittelpunkt stehen die FKK-Praxis und das Selbstverständnis der FKK-Bewegung mit ihren Implikationen, Ambivalenzen und Beschränkungen zwischen “freiem Spiel und Diktatur des Körpers” (M. Andritzky). Die Entwicklung der FKK wird vor dem Hintergrund des fundamentalen Wandels im gesellschaftlichen Umgang mit Nacktheit im Laufe des 20. Jahrhunderts skizziert.

Struktur und Aufbau der Ausstellung

Die Ausstellung ist chronologisch geordnet. Den Abschluss bildet ein Schlaglicht auf die aktuelle Situation.

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In jedem Zeitabschnitt werden folgende Themen dargestellt:

  • Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für FKK
  • Entwicklung der FKK-Bewegung
  • FKK-Praxis
  • FKK-Publizistik
  • FKK-Aktfotografie

In der Ausstellung werden in erster Linie Fotografien, Bilder- und Textdokumente aus der umfangreichen FKK-Publizistik seit Anfang des Jahrhunderts verwandt. Um den gesellschaftlichen Umgang mit der Freikörperkultur zu verdeutlichen, werden entsprechende Dokumente aus der allgemeinen Publizistik herangezogen.

Bildbeispiele zu den Zeitabschnitten

Kaiserreich

Die Freikörperkultur entsteht um 1900 im Kontext der Lebensreformbewegung, die eine Erneuerung der gesamten Lebensführung (Ernährung, Kleidung, Wohnung, Gesundheits- und Körperpflege) anstrebt. In Anknüpfung an medizinisch-naturheilkundliche Konzepte, die seit Ende des 18. Jahrhunderts dem unbekleideten “Baden in Licht, Luft und Sonne” eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben, wird der nackte Körper als “natürlichster” Ausdruck der Körperlichkeit, “wiederentdeckt”. Die Verfechter der Nacktkultur (der Begriff Freikörperkultur wird erst nach dem 1. Weltkrieg gebräuchlich) werten Nacktheit zur eigentlichen sittlichen und ‘natürlichen’ Lebensweise auf. Den Vorwurf ihrer Gegner, gegen Moral und “gute Sitten” zu verstoßen, kehren sie damit offensiv um. Praktizierte Nacktheit propagieren sie als Mittel der “Befreiung” von einer “krankmachenden” Lebensweise in einer “kranken” Gesellschaft. Nacktkultur versteht sich als ein umfassendes gesell-schaftspolitisches Konzept, das Gesellschaftsveränderung durch Selbstreform anstrebt. Bestandteile der Nacktkulturideologie sind die Verpflichtung zu einer “naturgemäßen” Lebensweise (Vegetarismus, Abstinenz, Mäßigung) und eugenische und rassenhygienische Vorstellungen zur ‘Formung eines gesunden Volkskörpers’. In der Praxis wird Nacktkultur größtenteils nach Geschlechtern getrennt und nicht völlig entblößt betrieben – Männer tragen die ‘Sonnenbadehose’, Frauen das ‘Luftbadekleid’. Nur in wenigen Vereinigungen wird der radikale Schritt zur gemeinsamen Nacktheit beider Geschlechter getan.

Im Verständnis der Zeit heißt nackt nicht völlig entblößt, sondern weitgehend entkleidet. In den Licht- und Luftbädern ist für Männer die Sonnenbadehose, für Frauen das Luftbadekleid vorgeschrieben.

Weimarer Republik

Seit Beginn der Weimarer Republik kann die FKK-Bewegung zunehmend offensiv agieren. Zahlreiche Vereine entstehen, die das gesamte politische Spektrum der Weimarer Republik widerspiegeln und unterschiedliche Konzeptionen von FKK verfechten. Eine umfangreiche Publizistik propagiert, von Verboten und Zensur weitgehend unbehelligt, die Ziele der Freikörperkultur. FKK wird zu einer Massenbewegung, die am Ende der Republik circa 100.000 organisierte Anhänger zählt. Neben reichsweiten FKK-Verbänden mit ihren Ortsgruppen und den lokalen Vereinen entsteht eine touristische Infrastruktur, die auch nicht organisierten FKK-Anhängern Möglichkeiten für Freizeit- und Urlaubsaufenthalte im ‘Lichtkleid’ bietet.

Fkk wird zu einer Massenbewegung, die am Ende der Republik circa 100.000 organisierte Anhänger zählt. Im Mittelpunkt des Vereins stehen Wochenendaufendhalte und Sommerurlaube auf dem Freigelände.
Bildquelle: “Von Freude und Sonne im Ostsee-Zeltlager” (Licht-Land, Bd.9/1932)

Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme der Nazis wird die FKK-Bewegung per Erlaß nominell verboten. Das Verbot trifft in aller Härte die proletarischen FKK-Vereine. Die meisten bürgerlichen FKK-Vereine wählen den Weg der freiwilligen Selbstgleichschaltung: Nach Ausschluß derjenigen Mitglieder, die fortan als ‘Nicht-Arier’ und/oder als politische Gegner des Nationalsozialismus gelten, schließen sie sich im ‘Kampfring für völkische Freikörperkultur’ (ab 1934 ‘Bund für Leibeszucht’) zusammen. Ideologisch betont der ‘Bund’ von Anfang an seinen besonderen Beitrag für die ‘rassische, gesundheitliche und sittliche Hebung der Volkskraft’. Aber erst mit der verstärkten Aufmerksamkeit für Körperertüchtigung im Zusammenhang mit der angestrebten “Wehrhaftmachung” des deutschen Volkes ab 1935 wird FKK zunehmend durch staatliche und parteiamtliche Stellen anerkannt und gefördert. Besondere Unterstützung und Wertschätzung erfährt die FKK durch die SS, die auf persönliche Initiative Himmlers die Weiterarbeit des ‘Bunds für Leibeszucht’ bis zum Frühjahr 1945 ermöglicht.

Nach der Machtübernahme werden sämtliche FKK-Bücher verboten, bis zum Frühsommer 1933 stellen alle FKK-Zeitschriften der Weimarer Republik das Erscheinen ein. Fortan erscheint mit wechsendem Titel eine einzige Zeitschrift, allerdings im freien Verkauf erhältlich ist.

BRD

Nach dem Verbot des ‘Bunds für Leibeszucht’ durch die Alliierten werden in den westlichen Besatzungszonen FKK-Vereine ab 1946 nach und nach wieder zugelassen. In den ersten Jahren der BRD verbleibt die FKK im gesellschaftlichen Abseits. Das repressive Klima der ‘Ära Adenauer’ äußert sich unter anderem im rigorosen Kampf gegen “Schmutz und Schund” und jede Form von Nacktheit. Erst mit dem fundamentalen Wandel im Umgang mit Nacktheit in Medien und Alltagspraxis gewinnt FKK ab Mitte der 60er Jahre eine bislang ungeahnte gesellschaftliche Akzeptanz. FKK wird nun zu einer unorganisierten Massenbewegung. Sie wird zunehmend nicht nur als Urlaubsvergnügen praktiziert, sondern erobert sich als sommerliche Freizeitbetätigung zunehmend Räume in den Naherholungsgebieten und städtischen Grünanlagen jenseits der für FKK freigegebenen Gelände. In der organisierten FKK-Bewegung werden die lebensreformerischen Positionen des alten Nudismus weitgehend marginalisiert. Die Vorstellungen von FKK als einer umfassenden Lebensweise mit kultur- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen werden durch ein Selbstverständnis als ‘gesundes’, gemeinschaftsförderndes Freizeitvergnügen zur Familienerholung und sportlichen Betätigung ohne weiterreichenden Anspruch ersetzt.

In den 50er Jahren gilt FKK als moralisch anrüchig. Die FKK-Bewegung versucht sich über jeden Verdacht erhaben zu geben und betont die Sittlichkeit ihres Tuns. Erst mit dem kulturellen Wandel ab Mitte der 60er Jahre gewinnt FKK eine bislang ungeahnte gesellschaftliche Akzeptanz und wird zu einer unorganisierten Massenbewegung. Mit Beginn der 80er Jahre besetzen die Nackten verstärkt auch in den Innenstädten ihre Terrains in öffentlichen Parks und Schwimmbädern.

DDR

In der DDR entwickelt sich FKK zu einer Massenbewegung, die alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten umfaßt. FKK ist an dafür freigegebenen Badestellen erlaubt, die Bildung von FKK-Vereinen bleibt hingegen verboten. Schon seit den 50er Jahren breitet sich FKK auch jenseits der freigegebenen Gelände aus. Anfänglich immer wieder behindert, zum Teil auch strafrechtlich belangt, werden die ‘wilden’ FKK-Anhänger schließlich geduldet, zahlreiche ‘wilde’ Badeplätze legalisiert. Mit dem Verblassen tradierter bürgerlicher Moralvorstellungen, insbesondere in Fragen der Sexualmoral, wird FKK ab Mitte der 60er Jahre für viele Bürgerinnen und Bürger zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihrer Freizeitkultur. Ende der 80er Jahre zeigt sich an den meisten Badestellen ein äußerst uneinheitliches Bild. Jeder und jede badet so, wie er und sie es will und für richtig hält, nackt oder in Badekleidung.

Ab Mitte der 60er Jahre wird FKK für viele Bürgerinnen und Bürger zu einem selbstverständlichen Bestandteil der sommerlichen Freizeitkultur ohne besondere ideologische Ansprüche. Bilder von den FKK-Geländen zeigen Urlaub wie jede und jeder ihn kennt – nur ohne Badebekleidung.

Als Begleitmaterial erschien ein Ausstellungskatalog mit einer Überblicksdarstellung der FKK-Bewegung und ausgewählten Bild- und Textdokumenten.